Resümees

Montag, 24. April 2023

DGLR-Abend mit Vortrag von Dr. Thomas Reiter, ESA-Astronaut, -Koordinator und -Berater  
mit anschließendem Beisammensein bei „Bier & Brezeln“

Eine Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Jungen Senat und den Fachbereichen R3.5 Raumfahrt und Philosophie, R1 Raumfahrttechnik und dem ILR
Download Flyer

Kurzbericht des Jungen Senats

Am 24.April 2023 kam der ehemalige ESA Astronaut Dr. Thomas Reiter, auf Einladung der DGLR Bezirksgruppe und des Institutes für Luft- und Raumfahrt ILR, zur TU Berlin.
Der Bezirksgruppenleiter, Stefan Hein, und der Vorsitzende des Jungen Senats der DGLR, Jens Freymuth, stellten den Zuhörern die DGLR anhand des Mottos „informieren, vernetzen und fördern“ vor. Es gab noch ein Grußwort der Vizepräsidentin Frau Dr. Cornelia Hillenherms an das Auditorium.

Prof. Dr. Dietrich Manzey, Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der TU Berlin, übernahm die Einführung des Referenten. Herr Manzey stellte sich selbst lächelnd mit den Worten vor „Er war der Psychologe von Thomas Reiter“.  Es war für ihn und Thomas Reiter eine neue Erfahrung. Thomas Reiters erster Einwand war, dass er als erfahrener Astronaut doch keinen Psychologen bräuchte. Die NASA Regeln sehen jedoch eine psychologische Betreuung aller Astronauten vor, so kam es zwischen ihnen zu guten Gesprächen und einem intensiven Austausch.
Dr. Thomas Reiter verbrachte 2 Langzeitaufenthalte im Orbit, einen auf der Mir (Euromir 95) und einen auf der ISS (Astrolab, 2006).

Thomas Reiter verglich seine Aufstiege mit der Sojus, als ob man in einem „Käfer“ fahren würde, etwas unbequem aber sehr zuverlässig. Der Aufstieg erfolgte mit höheren Beschleunigungen als bei den US Space Shuttles.  Die Sojus Kapsel brauchte damals 2 Tage um die russische Raumstation MIR zu erreichen. Die Kosmonauten konnten sich aber in dieser Zeit aus ihren Skaphandern befreien und sich in der Orbital Sektion des Raumschiffs ausstrecken. „Aber angenehm geht anders“. Der Aufenthalt auf der MIR bezeichnete er wie Camping. Jeden Morgen mussten die Schlafsäcke weggerollt werden um Platz für die Arbeit zu schaffen. Der Arbeitstag war sehr straff durchgeplant und Freizeit war begrenzt um z.B. einen Blick auf die Erde zu genießen.
Als ein amerikanisches Space Shuttle an der Mir andockte, nahm Thomas Reiter die Gelegenheit war und filmte aus einem Shuttlefenster die Mir und begab sich dann mit der Kamera in der Hand auf den Weg durch die Station bis hin zur Ingenieursunterkunft, dass ein Fenster besaß, und filmte dann das Shuttle von dort aus. Ein beeindruckender Weg durch schmale Gänge mit Kabeln und Schläuchen. Selbst in den Druckschotts befanden sich Leitungen.

Es gab auf der Mir einen Vorfall, bei dem ein Druckschott geschlossen werden musste. Die Schläuche waren noch schnell entfernt, aber die Leitungen, die eigentlich Schnellverschlüsse besaßen, mussten mit einem Messer gekappt werden, was letztendlich auch funktionierte.

Er berichtete, dass der lange Aufenthalt in der Schwerelosigkeit zu unangenehmen Belastungen beim Abstieg führte, da hohe Beschleunigungen beim Wiedereintritt auftreten. Von Null auf Überlasst war schon eine sehr große Belastung, die Thomas Reiter am liebsten vergessen möchte.

Thomas Reiter berichtete von den Tücken der Schwerelosigkeit z.B. in der ISS. Geht ein Teil mal verloren, fällt es nicht wie auf der Erde nach unten und erzeugt ein Geräusch, die Teile schweben einfach lautlos davon und verschwinden in der Station. Einmal hatte er eine Musik CD verloren, er drehte sich kurz um und weg war sie. Erst 2 Monate später fand ein russischer Kollege die CD in einem Luftfilter wieder. Ferner berichtete er, dass die Astronauten mit Mundschutz schlafen gehen um keine kleinen Teile einzuatmen.

Eine seine besonderen Erfahrungen waren die Außenboard Einsätze. Er hatte zwar kaum Zeit auf die vorbeiziehende Erde zu achten, aber es bleibt ein sehr beeindruckendes Erlebnis.
Zum Schluss gab Thomas Reiter noch einen kurzen Ausblick auf die zukünftigen Raumfahrt-Programme der ESA mit der NASA. Für Artemis sind 3 europäische Mitflüge zum Mond, 2 davon zum Lunar Gateway, schon fest gebucht. Leider sind wieder mal keine Frauen dabei, sie sitzen auf der „Reservebank“ und hoffen.   
Zum Abschluss konnte noch bei “Bier und Brezel“ in lockerer Atmosphäre weiter mit Thomas Reiter diskutiert werden.

Montag, 22. Nov 2021 – 18:00h Präsenz- und Online-Vortrag

Vortrag: Ausgewählte Schwerpunkte der Raumfahrtforschung an der TU-Berlin

Referent: Prof. Dr.-Ing. Enrico Stoll, Fachbereichsleiter Raumfahrttechnik am ILR der TU-Berlin und  DGLR Fachbereichsleiter Raumfahrttechnik R1
Download Flyer

Fachgebiet Raumfahrttechnik der TU Berlin setzt traditionsreiches Wirken zielstrebig fort -Bereits über 27 Satellitenmission seit 1991

Das Fachgebiet Raumfahrttechnik der Technischen Universität Berlin ist der erste und älteste Lehrstuhl für Raumfahrttechnik in Deutschland. Er wurde 1963 von berühmten Eugen Sänger gegründet und verfügt somit über eine Expertise von 58 Jahren. Wie diese Tradition heute erfolgreich und zielstrebig fortgesetzt wird, hat der Leiter des Fachbereichs Raumfahrttechnik am Institut für Luft- und Raumfahrt (ILR) der TU Berlin und DGLR-Fachausschussleiter R1 Raumfahrttechnik, Prof. Dr.-Ing Enrico Stoll, am 22. November in einer auch im Internet übertragenen Präsenzveranstaltung anschaulich und kurzweilig dargelegt.

So konnte Prof. Stoll eingangs bilanzieren, dass der Fachbereich seit dem Start von TUBSAT A 1991 bereits über 27 Satellitenmissionen erfolgreich entwickelt, gestartet und betrieben hat. Aktuell würden 16 aktive Missionen im Missionskontrollzentrum betreut, sagte er. Dabei sei der Lehrstuhl vor allem in den Fachbereichen Miniaturisierung und innovative Anwendungen für die Erdbeobachtung, Satellitenkommunikation und Navigation aktiv und erforsche  zudem Satellitenschwärme und die robotische Exploration. Das Fachgebiet  verfüge dazu über diverse Integrationslabore, ein Zentrum für Nanosatelliten, das bereits erwähnte Missionskontrollzentrum sowie über Bodenstationen in Deutschland, der Arktis und der Antarktis.

Das Ziel des Fachgebietes sei es, Systemingenieure für die Raumfahrt auszubilden, sagte Prof. Stoll, der über viele Jahre Auslandserfahrungen unter anderem in den USA und Russland verfügt. Der Entwurf, die praktische Umsetzung und der Betrieb von Kleinsatellitenmissionen mit Studierenden stünden dabei im Mittelpunkt von Lehre und Forschung.

So seien auf dem Gebiet der Robotik in den letzten Jahren eine eigene Rover-Linie zur planetaren Exploration und Expertise in-situ ressource utilization aufgebaut worden, betonte der Wissenschaftler und präsentierte dazu umfangreiches Daten- und Bildmaterial unter anderem über die Untersuchung von Mondmaterialien als Baustoff für lunare Basen sowie über den Bau von Rovern mit Roboterarm zur Errichtung von Habitaten auf dem Erdtrabanten. Eine der großen Zukunftsvisionen sei ferner der Bau von Satelliten mittels 3D-Druck im Weltraum selbst. Die Strukturen können im Orbit leichter sein, da sie keinen Raketenstart überstehen müssen.

Im Anschluss wurde die Nanosatellitenmission SALSAT (Spectrum AnaLysis SATellite) als eines der aktiven Projekte am Fachgebiet Raumfahrttechnik von Jens Freymuth  näher vorgestellt. Ziel des Projektes ist es aus dem Weltraum Funkfrequenzen zu untersuchen, welche für die Satellitenkommunikation genutzt werden (z.B. im Amateurfunkband). In den vergangenen Jahren starten immer mehr (Klein-)Satelliten in den Erdorbit. Die vorhandenen Frequenzbänder sind allerdings eine limitierte, endliche Ressource. Mithilfe der Missionsergebnisse von SALSAT soll eine globale Karte der Frequenznutzung erstellt werden, welche einen Beitrag leistet um die Frequenzvergabe zukünftig zu optimieren und somit auch bei steigender Nutzeranzahl eine sichere und zuverlässige Kommunikation zu ermöglichen. SALSAT wurde im September letzten Jahres gestartet, ist 25x25x25 cm groß und wiegt ca. 11 kg. Er befindet sich in einer Sonnen-synchronen Umlaufbahn in ungefähr 575 km Höhe und wird nach dem Ende des Missionsbetriebes (voraussichtlich 2022/23) spätestens in 15 Jahren wieder in die Erdatmosphäre eintreten und vollständig verglühen.

GK & JF

Montag, 19.10.2020 - 18:00 Uhr - Online-Vortrag

Vortrag: Emissionsfreies Fliegen mit hybridelektrischen Antrieben

Referent: Herr Phillip  Scheffel, Geschäftsführer der Apus GmbH, Strausberg
Download Flyer

Kleine Strausberger Firma mit großen Zielen

Offenbar hatte unsere Bezirksgruppe mit dem Online-Vortrag  zum Thema "Emissisonsfreies Fliegen mit hybridelektrischen Antrieben" am 19. Oktober einen Nerv getroffen. Denn mehr als 130 Interessenten aus ganz Deutschland hatten sich bei unserer ersten Veranstaltung dieser Art eingeloggt und warteten im Anschluss mit Fachfragen auf, die sicher oft nur die Eingeweihtesten verstanden haben und sogar bisweilen militärische Geheimnisse tangierten. Doch der Geschäftsführer der Apus GmbH aus Strausberg bei Berlin, Herr Philip Scheffel, war um keine Antwort verlegen.

Ausgangspunkt seines knapp einstündigen und reich mit Folien unterlegten Vortrages war die Feststellung, dass die Luftfahrt schadstoffemissionsfreie Antreibe benötigt und somit die fossilen Technologien schrittweise ersetzen muss, wenn sie die ACARE-Ziele erfüllen will. Und genau damit befasst sich sein Unternehmen mit nur rund 25 festangestellten Ingenieuren und einigen freien Mitarbeitern erfolgreich schon seit einigen Jahren. Sie stellt sich damit dem Wettbewerb um die beste technologische wasserstoffverwertende Lösung, der mit der Bekanntgabe der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung im Juni 2020 voll entbrannt ist .

Der Schwerpunkt  der Arbeit der Apus GmbH liege dabei auf innovativen Flugantrieben vor allem mit Wasserstoff als Energieträger, sagte Scheffel. Zugleich berichtete er über seine Erfahrungen mit elektrischen Antrieben und deren Zukunftsperspektiven. Als Beispiele dienten ihm dabei die beiden aktuellen Entwicklungsprojekte APUS i-2,  ein Wasserstoffflugzeug, und APUS i-5, eine Hybrid-Elektrische Variante, die gemeinsam mit Rolls-Royce Deutschland und der BTU Cottbus-Senftenberg verwirklicht wird.

Die APUS i-2 soll im Flügel integrierte Wasserstofftanks, eine Brennstoffzelle und Pufferbatterie sowie 2 Elektromotoren erhalten. Die APUS i-5 soll dagegen eine Kleingasturbine für den Antrieb eines Generators, Pufferbatterie und 4 Elektromotoren mit sehr langsam laufenden Propellern aufweisen. Es steht das Zusammenspiel aller Komponenten und Lärmemissionen im Fokus.

Ziel dabei sei zum Beispiel eine Air-Taxi-Konzeption für 4 Personen, sagte Scheffel. 2023 solle erstmals elektrisch geflogen werden. Derzeit wird der APUS i-5-Demonstrator mit zwei Sitzen für den Piloten und einen Ingenieur entwickelt. Das Hybrid-Flugzeug könnte später auch als Cargo-Version für Entfernungen zwischen 500 und 800 Meilen dienen. Er könne sich aber eine wettbewerbsfähige Wasserflugzeug-Version für Südostasien vorstellen, sagte Scheffel, der glaubt, dass es solche Maschinen um das Jahr 2030 schon für 100 Passagiere geben wird.

GK

Montag, 09.03.2020 - 18:00 Uhr
TU Berlin, ILR F11, Marchstraße 12-14, 10587 Berlin-Charlottenburg

Jahresabschlussveranstaltung bei "Bier & Brezel"

Vortrag: Junkers Tupolev - Der Einfluss von Hugo Junkers auf den sowjetischen Flugzeugbau der 30er Jahre
Referent: Dr. Peter Korrell
Download: Flyer

Hugo Junkers und Andrej Tupolew - Vortrag von Dr. Korrell zum Einfluss des deutschen Flugzeugkonstrukteurs auf den sowjetischen Flugzeugbau

Das Thema des Vortrags vom 9. März vor unserer Bezirksgruppe schien angesichts der derzeit problematischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland nicht von dieser Welt zu sein. Der Elektroniker und Fachmann für Luftfahrzeugausrüstung Dr. Peter Korrell hatte ihm die Überschrift Der Einfluss von Hugo Junkers auf den sowjetischen Flugzeugbau der 30er Jahre gegeben. In spannenden eineinhalb Stunden legte er dar,  wie in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der damaligen noch jungen Sowjetunion etwa 2.000 Flugzeuge hergestellt wurden, deren grundlegende konstruktive Auslegung wesentlich durch die Ideen des deutschen Flugzeugkonstrukteurs geprägt waren. Die Maschinen waren zunächst größtenteils für militärische Zwecke bestimmt.

Ausgangspunkt der Zusammenarbeit,  die bisher weniger bekannt ist, war eine Vereinbarung zwischen Junkers und der sowjetischen Regierung vom 26. November 1922 über den Bau und Betrieb eines Junkers-Zweigwerkes im Moskauer Stadtteil Filii auf der Grundlage des deutsch-russischen Vertrages von Rapallo vom vorangegangenen April. Das Fertigungsprogramm umfasste unter anderem das zweisitzige Mehrzweckflugzeug A 20 (J 20) für die Rote Armee und die Marine, das Aufklärungsflugzeug J 21 sowie das Verkehrs- und Frachtflugzeug F 13. Diese erste Ganzmetallmaschine der Zivilluftfahrt wurde hier aus deutschen Teilen montiert und war auch in dem Riesenland ein großer Erfolg. Später wurde auch das Mehrzweckflugzeug W 33,  eine Weiterentwicklung der F 13,  an die UdSSR geliefert und im wesentlichen zivil genutzt.

Aufbauend auf dem Knowhow von Junkers entwickelten russische Ingenieure in zunehmendem Maße eigene neue Materialien wie die Koltschug-Aluminium-Legierung oder ein spezielles Wellblech und eine ganze Flugzeugpalette. Dr. Korrell wies dabei ausdrücklich darauf hin, dass es hier nicht darum gegangen sei, illegal deutsche Ideen zu kopieren. Als Beispiele nannte er einen Propellerschlitten, das Sportflugzeug ANT-1, das Ganzmetallflugzeug ANT-2 und den militärischen Aufklärer ANT-3, der ab 1925 im Zentralen Aerohydrologischen Institut (ZAGI) unter Leitung des genialen Konstrukteurs Andrej Tupolew in Serie gebaut wurde. Die Maschine, die teilweise auch mit deutschen BMW VI-Motoren ausgerüstet wurde, machte unter anderem durch „sehr beeindruckende Langzeitflüge“ in Europa und Asien auf sich aufmerksam, wie der Redner sagte. 1927 sei der Vertrag dann aufgelöst worden, „weil die Wünsche der sowjetischen Seite nicht mehr erfüllt werden konnten“.

Diese machte also allein weiter, und das ZAGI entwickelte unter Tupolew unter anderem den Bomber ANT-4/TB-1, von denen 212 Stück vom Band liefen, die ANT-6,  die die erste Nordpol-Expedition auf eine driftende Eischolle brachte,  sowie die ANT-9, die ANT-14 (Prawda), die ANT-16, die ANT-20 (Maxim Gorki),  die bei einer Flugvorführung über Moskau mit 46 Passagieren abstürzte,  bis hin zur ANT-35 (1940). Der große Fortschritt, der in dieser Zeit in der Sowjetunion in vielen Zweigen der Volkswirtschaft und in der Erschließung des Landes erreicht wurde, sei sicher zum Teil dem Umstand zuzurechnen, dass als Folge der Zusammenarbeit mit Junkers in der Luftfahrt “zweckmäßige technische und technologische Lösungen angewendet wurden“,  resümierte Dr. Korrell.

GK

Montag, 02.12.2019 - 18:00 Uhr
TU Berlin, ILR F11, Marchstraße 12-14, 10587 Berlin-Charlottenburg

Jahresabschlussveranstaltung bei "Bier & Brezel"

Vortrag: Die Modellierung der Weltraummüllumgebung
Referent: Dr. Carsten Wiedemann, Institut für Raumfahrtsysteme, TU Braunschweig
Download: Flyer

Die Modellierung der Weltraummüllumgebung - Vortrag von Dr.-Ing. Carsten Wiedemann – Bezirksgruppe Berlin-Brandenburg zieht auf Jahresabschlussveranstaltung gute Bilanz 2019

Ein Vortrag zum Thema Die Modellierung der Weltraummüllumgebung hat am 2. Dezember die Jahresabschlussveranstaltung unserer Bezirksgruppe gekrönt. Doch wer dabei eine langatmige akademische Vorlesung befürchtet hatte,  wurde eines Besseren belehrt. Dr.-Ing Carsten Wiedemann,  seines Zeichens Akademischer Oberrat am Institut für Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig, entfachte ein höchst kurzweiliges, rhetorisches Feuerwerk, dessen überbordende Zahlen- und Begriffsfülle zum Schluss in das tröstende Fazit mündete, dass der Weltraum nicht annähernd so vermüllt und somit verstopft ist, wie es sich der Otto Normalverbraucher so vorstellt. Denn die größeren Objekte sind sicher unter Kontrolle, und die ungezählten Objekte im Submillimeterbereich werden vom Referenten und seinen sieben Teamkollegen mit wissenschaftlicher Akribie in einem Katalog für das MASTER-Modell der ESA erfasst. 

Derzeit gibt es auf allen Umlaufbahnen rund 900.000 Objekte von mehr als einem Zentimeter Größe,  130 Millionen Objekte sind größer als ein Millimeter, und dann gibt es noch Trillionen Objekte, die größer als ein My sind, sagte Dr. Wiedemann. Das größte Kollisionsrisiko ergebe sich durch die extrem hohe Geschwindigkeit der Trümmer, die im erdnahen Orbit (LEO) rund 10 Kilometer pro Sekunde betrage. Ein Objekt von mehr als einem Zentimeter Größe kann bei einer Kollision die Außenhaut eines Satelliten durchschlagen, ist es größer als 10 Zentimeter kann es diesen sogar vollkommen zerstören. Insofern sind die Objekte zwischen einem und zehn Zentimetern Größe die gefährlichsten, weil sie zu klein sind, um ihre Bahn verfolgen zu können und somit Abwehrmaßnahme zu treffen. Die meisten Kollisionen entfielen jedoch auf kleine Objekte, die keine Gefahr für die Missionsziele der Satelliten darstellten. 

Die riskanteste Umlaufbahn sei etwa in 800 Kilometern Höhe, wo viele Erdbeobachtungssatelliten unterwegs sind,  sagte der Referent. Doch dann gab er Entwarnung. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Satellit in etwa 900 Kilometern Höhe auf einer Polarbahn von einem Trümmerteil von mehr als einem Zentimeter Größe getroffen werde, betrage nur rund vier Prozent. Insofern sei das Kollisionsrisiko im Weltraum „noch nicht dramatisch“ und „akzeptabel“,  resümierte Dr. Wiedemann. Es könne sich jedoch erhöhen, wenn die Menschheit weiter wie bisher Raumfahrt betreibe. Insbesondere die geplanten Mega-Konstellationen (Starlink, One-Web, u.a.) können hierbei einen starken Kaskadeneffekt auslösen, falls die Zuverlässigkeit für den Betrieb der Satelliten unter ca. 70% fällt. Ein Ausweg sei, Raumflugkörper mit einem Triebwerk auszustatten, das diese nach Ende der Einsatzzeit zum Absturz bringe, so dass sie in den dichten Schichten der Atmosphäre verglühen. 

Vor dem Vortrag konnte der Leiter unserer Bezirksgruppe, Stefan Hein, eine gute Bilanz der Arbeit im ablaufenden Jahr ziehen. Er verwies dabei auf gut besuchte Vorträge zu Themen wie 50 Jahre Mondlandung,  zur deutschen Raketengeschichte bis 1944 sowie zu den Zukunftsvorstellungen der Konzerne Airbus und Boeing. Die Mitgliederzahl der Bezirksguppe ist zudem im Vergleich zu 2018 gestiegen. Zusätzlich wies er darauf hin, dass in diesem Jahr das Gremium Junger Senat etabliert wurde, in dem sich derzeit 5 Mitglieder unserer Bezirksgruppe für die Nachwuchsarbeit innerhalb der DGLR engagieren. 

Für 2020 kündigte Stefan Hein wieder eine ganze Reihe interessanter Veranstaltungen an. Dabei geht es unter anderem um einen Vortrag zum Thema Junkers und Tupolew sowie zum Data Management bei Rolls Royce.  

Zudem steht Mitte Mai die ILA in Berlin an, auf der die DGLR mit einem eigenen Stand vertreten ist, dessen Betreuung teilweise auch von unserer Bezirksgruppe übernommen wird.  

Die Jahresabschlussveranstaltung klang traditionell mit intensiven Gesprächen bei Bier & Brezeln aus.

GK 

Montag, 11.11.2019 - 18:00 Uhr
TU Berlin, ILR F11, Marchstraße 12-14 10587 Berlin-Charlottenburg

Vortrag: Connecting to the world in 2050 - Boeing Research &Technology in Europe

Referent: Dr. Llorenç Llopart, Boeing Research and Technology Europe
Download: Flyer

Boeing und der Luftverkehr 2050

Der US-Konzern Boeing arbeitet schon heute an seiner Strategie für den Luftverkehr des Jahres 2050. Dr.-Ing. Llorenç Llopart, seines Zeichens Strategie & Business Operations Site Manager Boeing Research and Technology Europe in München und Sheffield, hat am 11. November 2019 in einem Vortrag vor der Bezirksgruppe Berlin-Brandenburg einen Einblick in die Zukunft der Luftfahrt gegeben. 

Unter dem Titel „Connecting to the World in 2050 - Boeing Research & Technology in Europe“ betonte er, dass der globale Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing 11 Forschungseinrichtungen weltweit hat, in Europa mit Standorten in Sheffield, München und Madrid. In Deutschland sei man im Bereich Forschung und Entwicklung besonders aktiv. Hier werde zum Beispiel am Standort München an innovativen Themen und Technologien im Bereich der Automatisierung sowie der Materialforschung, einschließlich Verbundwerkstoffen, gearbeitet. Dabei arbeite man mit erfahrenen deutschen Unternehmen zusammen. Ähnliche Forschungs- & Technologiezentren sind in Australien, China, Indien, Russland und Brasilien gegründet worden. 

Derzeit sind rund 12 Millionen Menschen  täglich mit einem Flugzeug unterwegs. Das entspreche etwa der Einwohnerzahl von Los Angeles. Ein Drittel der Welthandels-Warenwerte werden auf dem Luftweg transportiert. Das sei weniger als ein Prozent der gesamten globalen Güter.  Die kommerzielle Flotte wird auch in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigen  -  vor allem in stark wachsenden Ländern wie Indien und China. Wichtig sei daher ein starker Fokus auf Nachhaltigkeit, das heißt bei signifikanter Reduzierung der CO2-Emissionen.

Der Weg bis 2050 führe über „technologische Weiterentwicklung und Fokus auf Nachhaltigkeit“,  sagte Llopart. Es gelte also unter anderem, den Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen zu fördern, die Flugüberwachung zu optimieren, und alternative Antriebe weiterzuentwickeln.

GK

Montag, 15.07.2019 - 18:00 Uhr
TU Berlin, ILR F11, Marchstraße 12-14, 10587 Berlin-Charlottenburg

Vortrag: Verbundene Flugzeuge - Schlüsseltechnologie für High Altitude Pseudo Satellite Flugzeuge mit langer Flugzeit und hoher Nutzlast

Referent: Dr. Alexander Köthe, Chief Engineer Project AlphaLink
Download: Flyer

Verbundene Flugzeuge als neue Schlüsseltechnologie für den Satelliten-Ersatz

„Verbundene Flugzeuge - High Altitude Pseudo Satellite Flugzeuge mit langer Flugzeit und hoher Nutzlast“ – hinter diesem etwas sperrigen Titel verbirgt sich eine künftige neue Schlüsseltechnologie, durch die teure Satelliten für spezielle Erdbeobachtungsaufgaben ersetzt werden sollen. Wie das geschehen soll,  erläuterte Dr. Alexander Köthe von der TU Berlin und Chief Engineer AlphaLink in einem formelgespickten Vortrag vor den Mitgliedern der Bezirksgruppe Berlin/Brandenburg.

Worum geht es also? Viele teure Satelliten umkreisen Tag und Nacht unsere Erde und haben bestimmte Ziele im Visier. Doch leider sind sie oft nicht dort,  wo sie aus einem ganz bestimmten Zweck gebraucht werden, etwa bei einem Erdbeben in Haiti, wie der Referent anführte. Deshalb wäre es viel günstiger, die Lage im Katastrophengebiet mit verbundenen Flugzeugen zu kontrollieren, wie in seinem Projekt AlphaLink. Dabei bilden mehrere unbemannte und elektrogetriebene Einzelflugzeuge eine Formation mit großer Spannweite. Sie werden durch Lager an den Flügelspitzen miteinander verkoppelt, wodurch der induzierte Widerstand signifikant reduziert wird.

In seiner Promotionsarbeit hat Alexander Köthe dieses Konzept unter flugmechanischen und flugregelungstechnischen Aspekten genau analysiert und eine Höhenplattform ausgelegt, die bei einer Spannweite von rund 211 Metern in einer Höhe von 20 Kilometern und einer Geschwindigkeit von gut 33 Metern pro Sekunde 365 Tage und 24 Stunden am Tag zwischen dem 40. nördlichen und südlichen Breitengrad eine verteilte Nutzlast von 450 Kilogramm transportieren kann -  Kameras zum Beispiel, um etwa die Erdbebenfolgen für die Hilfsmannschaften zu dokumentieren.

Doch das ist bislang noch Zukunftsmusik oder fachmännischer ausgedrückt eine Schlüsseltechnologie für eine hoffentlich nicht mehr allzu ferne Zukunft. Bisher haben Dr. Köthe und sein kleines Team nur einen einzigen Versuch durchgeführt. Dazu starteten sie 2017 auf dem Flugplatz von Strausberg bei Berlin vom Dach eines alten fahrenden Volvos drei verbundene Flugzeugmodelle. Die wurden erfolgreich ausgeklinkt und erhoben sich auch in die Lüfte. Da aber bei dem linken Flugzeug der Propeller stotterte,  vollzog die ferngesteuerte Formation eine Linkskurve, stürzte wegen der noch geringen Flughöhe ab und zerschellte. Dennoch habe der Versuch bestätigt, dass das Flugregelungssystem und das Konzept funktionieren, zeigte sich Köthe erfreut. Derzeit arbeite man an einem neuen Demonstrator. Obwohl der ganze Versuch nur 2.000 Euro gekostet habe, wurden den jungen Leuten keine Mittel für die weitere Forschung genehmigt, fügte er hinzu. Und das, obwohl das Projekt mit dem Deutschem Innovationspreis ausgezeichnet worden ist.

Inzwischen hat sich offenbar Vodafone bereit erklärt, die weitere Arbeit zu unterstützen. Dabei geht es um ein Verbundsystem, das 25 Kilogramm Nutzlast befördern kann. In eineinhalb bis zwei Jahren soll es zur Verfügung stehen.

Die Chinesen experimentieren inzwischen mit ähnlichen, aber schon riesigen Modellen, in die sie anstandslos Hunderttausende Euro investieren, demonstrierte Alexander Köthe anhand eines beeindruckenden kleinen Filmes.

GK

Montag, 11.03.2019 - 18:00 Uhr
TU Berlin, ILR F11, Marchstraße 12-14, 10587 Berlin-Charlottenburg

Vortrag: Entwicklung von Flüssigkeitsraketen in Deutschland bis Ende 1944

Referent: Dr. Thomas Phieler
Download: Flyer

Die Entwicklung von Flüssigkeitsraketen in Deutschland bis Ende 1944 - Ein historischer Abriss von Dr. Thomas Phieler

Am 11. März war Dr. Thomas Phieler, Mitglied der DGLR und des Freundeskreis Luftwaffe e.V., von der Bezirksgruppe Berlin-Brandenburg an die TU-Berlin eingeladen. In einem intensiven Vortrag vor einem sehr interessierten Publikum entfaltete Thomas Phieler die Entwicklungslinien von den Anfängen der Raketentechnik der 20er-Jahre in Deutschland bis zur Ariane 6.

Zunächst wiegte er mit seiner freundlichen, unaufgeregten Vortragsart und bekannten Inhalten, wie den Anfängen der Raumfahrt 1923 durch H. Oberth, die Zuhörer in der Sicherheit, die ein durch viele Vorträge gefestigtes Vorwissen erzeugt. Eine Skizze der Kegeldüse aus dem Reichspatent 549222 war noch sehr übersichtlich. Auch die Erwähnung des Treffens von 20 technisch begeisterten Männern 1927 im „Goldenen Zepter“ in Breslau, welches zur Gründung des „Vereins für Raumschifffahrt e.V. (VfR)“ führte und als dessen Vorsitzender Johannes Winkler ernannt wurde, ließ das Thema noch in der „Traumzeit“ deutscher Vereinskultur verharren. Immerhin, es entstand die erste Fachzeitschrift für Raumfahrtwissenschaft und Raketentechnik „Die Rakete“. Dieser „Papiertiger“ sollte bald seine Krallen schärfen und ihm, transformiert als Rakete „HW 1“ von Winkler, am 14. März 1931 bei Dessau ein erster kurzer Sprung glücken. Das waren 4 Jahre nach Goddards Test am 16. März 1926 in den USA. War das also der Beginn einer Erfolgsserie vom Traum zum Triumph? Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Fehlschläge wegzustecken. 1922 lehnte die Heidelberger Universität die Dissertation von Oberth ab, 1929 ging die Zeitschrift „Die Rakete“ aus Geldmangel ein. Im gleichen Jahr konnte Oberth sein Versprechen, einen echten Raketenstart für den Fritz Lang Film „Frau im Mond“ vorzuführen, nicht einhalten und musste Vorschussgeld zurückzahlen. 1930 explodierte eine Minirakete von Klaus Riedel, die MIRAK 1, vor Zuschauern. Der tragische Höhepunkt war aber der tödliche Unfall von Max Valier am 17. Mai 1930. Bei einem Prüfstandtest in der Firma Heylandt explodierte ein Triebwerk für Raketenautos und ein Metallsplitter traf die Lungenschlagader.

Ab jetzt war im Vortrag die Exposition der Themen abgeschlossen. Wie in einem großen Diorama bildete Dr. Phieler nun den weiteren Entwicklungsweg der Flüssigkeitsraketen in Deutschland auf einer Fülle von Folien ab. Die Inhalte waren dabei in eine Textur von Wirkungen und Gegenwirkungen eingebettet. Als entscheidender Impulsgeber trat ab 1930 das Heereswaffenamt (HWA) auf. Zunächst wurde der Raketenflugplatz Tegel des VfR gefördert. Oberst Becker vom HWA blieb jedoch gegenüber „Zirkusveranstaltungen“ reserviert. Ein Test 1932 auf dem Versuchsplatz des Heeres in Kummersdorf südlich von Berlin mit der MIRAK 3 überzeugte nicht. Wernher von Braun wurde von Hauptmann Walter Dornberger dem bisherigen Hauptakteur Rudolf Nebel vorgezogen – das Personenkarussell fing an sich zu drehen und entwickelte Fliehkräfte. Aus Raumfahrtenthusiasten mussten detailversessene Ingenieure werden und auch den Spagat zwischen Begeisterung und Bürokratie schaffen. Eine effiziente Arbeitsorganisation war gefordert. Ab 1934 übernahm das Militär. Die weiteren Stationen waren Kummersdorf, Peenemünde und Nordhausen.

Ein weiteres Opfer wurde 1934 Dr. Kurt Wahmke bei einem Treibstofftest in Kummersdorf. Er wollte eine Neuerung einführen. Das Einkomponenten-Treibstoffsystem aus 90%-igem Wasserstoffperoxyd und Alkohol explodierte.

Die technische Entwicklung beschleunigte sich weiter und umfasste immer mehr technologische Bereiche: Materialforschung (Aluminiumlegierungen, Graphitplatten, Molybdän-Siebe), Steuerungssysteme (Kreisel), Funksysteme, Flugfunktionsüberwachung mit einem Bordoszillographen, Treibstoffforschung.

Einen Rohrschaltpan von Aggregat 5 oder das Schaltschema der A4 (Spritzaggregat 2 und 5) konnte Thomas Phieler den Zuhörern näher bringen. Hilfreich waren die Zeichnungen mit farbigen Stofftransportwegen für Wasserdampf, Sauerstoff und Äthanol. Die Folien mit dem elektrischen Mischgerät von Dipl.-Ing. Helmut Hoelzer hoben die zentrale Bedeutung der antizipierenden Steuerung hervor. Ein Parallelschwingkreis eliminierte Lagestörungen.

Weitere Themen waren der Überschall-Windkanal in Peenemünde, die Schlieren-Fotographie, Gyroskop und Zeitschaltuhr. Die Vermessung der Flugbahn und das Flugverhalten wurden angezeigt. Viele technische Lösungen fanden auch nach 1945 Anwendung – so Thomas Phieler. Dazu zählen die Schleierkühlung von Triebwerken und die Abtrennung der Nutzlast. Letztere blieb bis zuletzt als Blindspitze nur im Entwurfsstadium. Interessant war der Hinweis des Vortragenden auf die Kontinuität der Anwendung des Prinzips des Röhrentriebwerks von 1943 und bei der Oberstufe der Ariane 5.

Im Ergebnis machte der Vortrag deutlich: Die Entwicklung der Flüssigkeitsraketen in Deutschland stellte die Weichen für den Erfolg der Raumfahrt weltweit. Technische und organisatorische Großprojekte entfesseln Kräfte, die den ganzen Menschen fordern. Kreativität, Fleiß und Ethik sind dabei ineinander zu verweben, soll der „Segen von Oben“ kommen und bleiben.

W.L.

Montag, 11.02.2019 - 18:00 Uhr
TU Berlin, Hörsaal C130, Chemiegebäude, Straße des 17.Juni 115, 10587 Berlin-Charlottenburg

DGLR-Abend 2019 mit "Bier und Brezel"

Vortrag: Building the Future of Flight
Referent: Herr Axel Flaig, Senior Vice President R&T, Airbus S.A.S., Blagnac Cedex, Frankreich
Ausstellung: Die Arbeiten der Studentischen Nachwuchsgruppen des ILR werden im Foyer des Chemie Gebäudes ausgestellt.
Download: Flyer

Airbus nimmt Herausforderungen an die Luftfahrt der Zukunft an – Vortrag von Axel Flaig vor unserer Bezirksgruppe

In den vergangenen 50 Jahren hat sich der Luftverkehr alle 15 Jahre verdoppelt. Und bis Mitte der 2030-er Jahren wird sich die Zahl der Passagiere von derzeit über vier auf dann gut acht Milliarden pro Jahr erhöhen. Wie sich Airbus im Wettbewerb mit der Boeing-Konkurrenz in Seattle auf diese gewaltigen Herausforderungen einstellt, war am 11. Februar Gegenstand eines spannenden Vortrags von Axel Flaig,  seines Zeichens Senior Vice President Research & Technology bei Airbus S.A.S Blagnac, vor den Mitgliedern unserer Bezirksgruppe. Dabei gehe es nicht nur um die reine Erhöhung von Stückzahlen, sondern auch um die strenge Beachtung des Umweltschutzes, wie er ausdrücklich sagte.

Um das steigende Passagieraufkommen in den nächsten 20 Jahren zu bewältigen, würden 37.380 neue Flugzeuge im Wert von 5,8 Milliarden Dollar gebraucht. Aufbauend auf der sehr erfolgreichen Flotte aus den Modellen A320, A330 und A350 rechnet sich Airbus trotz der Stornierung von A380 Bestellungen durch Emirates gute Wettbewerbschancen aus, betonte Flaig. Dazu seien aber radikale neue Lösungen und Konzepte beim Flugzeugdesign, bei den Antriebssystemen sowie beim Betriebs- und Energiemanagement erforderlich. Ziel sei die Umsetzung des ‚Flightpath 2050‘ der ACARE mit einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 75 Prozent, des NOX-Ausstoßes um 95 Prozent sowie des Lärmpegels um 65 Prozent, bezogen auf eine Referenz aus dem Jahre 2000. Zudem müsse die monatliche Produktionsrate von derzeit 60 auf 100 Maschinen erhöht werden. Durch innovative Produktionsmethoden soll dazu auch die Anzahl der Bauteile drastisch gesenkt werden. Immerhin bestehen heute kleine Flugzeuge aus rund einer Million, große sogar aus vier Millionen Einzelteilen.

Flaig belegte das mit zahlreichen Beispielen zur Verbesserung der Produktpalette, auch unter Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI). Beginnend bei neuen aerodynamischen Lösungen, über neue Antriebe und neue Materialien bis hin zum Ersatz von Kabelleitungen durch integrierte Schaltungen (das Drucken von Leiterbahnen auf der Kabinenverkleidung) und die virtuelle Neugestaltung der Passagierkabinen mit Bildschirmen, aber ohne Fenster und neue Cockpits. Es geht dabei auch um die Reduzierung des Cockpit-Personals bis hin zur angestrebten 1-Piloten-Lösung. Der Pilot wird dann von einem Bodenleitsystem unterstützt werden.  

Mit modernsten Kommunikationsmitteln soll die konstante Versorgung, nicht nur über Satelliten, sondern auch über die Signalweiterleitung von Flugzeug zu Flugzeug sichergestellt werden. 

Bei manchen angedachten Lösungen nimmt Airbus auch eine Anleihe an biologischen Mustern. So kann sich Flaig Formationsflüge auf Transatlantik-Routen vorstellen. Durch die Nutzung der Wirbelschleppen eines vorausfliegenden Flugzeuges könnten Treibstoffeinsparungen bis zu 10 Prozent erreicht werden, sagte er. Zur Verrechnung der eingesparten Kosten unter den beteiligten Airlines wäre die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle unter Einbeziehung des Flugmanagements erforderlich. Nicht denkbar sei für ihn dagegen eine Rückkehr zu Überschallflugzeugen im kommerziellen Luftverkehr. Aufgrund des mit der Fluggeschwindigkeit überproportional ansteigenden Treibstoffverbrauchs sei der Überschallflug mit den Zielen des Umweltschutzes nicht vereinbar.

GK