R2 Raumfahrtwissenschaft und -anwendung

Der Fachbereich

Die facettenreichen Aktivitäten des Fachbereichs konzentrieren sich über die vielfältigen raumgestützten Anwendungen hinaus – von den wissenschaftlichen, den hoheitlichen bis zu den militärischen Nutzanwendungen – auch auf die Betriebsbedingungen, die in den extremen Umwelten des Alls zu meistern sind. Von den Technologien der Nutzlasten bis zu den wirtschaftlichen Aspekten z.B. einer kommerziellen Nutzung, teilweise im Wettstreit mit den dominierenden Ansprüchen der staatlichen Anwender, reichen die Themen des Fachbereichs bis in die hoheitliche Gesetzgebung, die eine privatwirtschaftliche Nutzung zulässt bzw. begrenzt.

Der Fachbereich stellt sich auch aktuellen gesellschaftlichen Fragen zum Einsatz raumgestützter Technologien für die Erde. Die Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Beratungsangebote richten sich somit an alle, die sich informieren und beteiligen wollen.

Der Fachbereich R2 befasst mit der Raumfahrtwissenschaft und -anwendung. Dazu ist er in sechs Fachausschüsse aufgeteilt:

Aktuelle Veranstaltung

24.3.2022 17:30 Uhr - Online - Raumfahrtpolitisches Kolloquium

Himmlisches Recht oder "Wie auf Erden so im Himmel"
Der Weltraum im Fokus nationaler Politik

Der Weltraum – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2022 … und in der Umgebung unseres blauen Planeten zeigen sich zunehmend die Folgen menschlichen Handels. Der erdnahe Raum steht nicht mehr allein im Fokus wissenschaftlichen Interesses sondern entwickelt sich rasant zum globalen Wirtschaftsraum mit attraktiven Renditeperspektiven.
Das Kolloquium der Friedrich Naumann Stiftung am 24. März 2022 verfolgt das Ziel die aktuelle Situation im erdnahen Orbit aus wissenschaftlich-technischer Sicht zu beleuchten und auf dieser Basis die politischen Handlungsspielräume Deutschlands in den außen-, wirtschafts-, sicherheits-, klima- und umweltpolitischen Bereichen auszuleuchten.
Detaillierte Informationen und Anmeldung

 

Pressemitteilung vom 30.07.2020:
Deutsche Weltraumpolitik – DGLR rät zu umfassender Strategieentwicklung

Deutsche Organisationen agieren als gut positionierte Anbieter und vielfältige Nutzer auf den internationalen Märkten für Weltraumprodukte und -dienste. Deshalb wird seit Jahren darüber nachgedacht, ob in der Bundesrepublik eine wirtschaftspolitische Gesetzgebung benötigt wird, die über die nationale Implementierung von Verträgen der Vereinten Nationen hinausgeht. Der Fachbereich „Raumfahrtwissenschaft und -anwendung“ der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) rät zu einer weltraumpolitischen Gesetzgebung, die in Ergänzung zu den weltweit gültigen Wirtschafts- und Handelsverträgen, heute und in der absehbaren Zukunft vor allem den Betrieb privater Raumfahrtaktivitäten regeln kann.

„Der Weltraum ist ein ‚Wirtschaftsraum‘, der physikalisch keine territorialen Grenzen kennt. Jede nationale Gesetzgebung kann daher in erster Linie nur Geschäftsaktivitäten regulieren, die durch deutsche Betreiber ausgeführt werden“, sagt Dr. Christian Langenbach, Leiter des DGLR-Fachbereichs Raumfahrtwissenschaft und -anwendung. Dies umfasst beispielsweise Startdienste von Raketenabschussplätzen sowie die Steuerung und Lenkung einzelner Satelliten, Flotten oder Bodenkontrollstationen. Ob Gesetze auch die technische Entwicklung und die Fertigung von Raumfahrtsystemen und deren Bauteilen sowie die Entwicklung und den Vertrieb von Dienstleistungen der Erdbeobachtung, Telekommunikation, Navigation usw. abdecken, sollte angesichts aktueller Entwicklungen wie dem zunehmenden Weltraummüll zumindest erwogen werden.

Bei näherer Betrachtung aller Marktsegmente wird schnell deutlich, dass vor jeder Regulierung zuerst einmal Klarheit darüber gewonnen werden muss, welche Strategie die deutsche Politik mit einer Gesetzgebung verfolgt. Angesichts einer seit Mitte der 1960er-Jahre umfassenden Technologieförderung der Raumfahrt ist in Deutschland zwar vieles vorstellbar, aber möglicherweise nicht alles gewünscht. In die Strategieentwicklung gehört deshalb auch die politische Frage, in welchen technologischen Sektoren die Exportnation Deutschland autonom agieren und einen privaten Weltraumbetrieb lizensieren möchte.

Die aktuelle Corona-Pandemie hat gezeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland als Folge der kostensenkenden Produktionsverlagerungen ins Ausland abhängig von globalen Zulieferern ist. Nach einer über 50-jährigen aktiven Raumfahrtgeschichte Deutschlands lautet die Frage deshalb: In welchen Technologie-, Produkt- bzw. Systemfeldern soll nationale Kompetenz erhalten, auf- und ausgebaut oder neu entwickelt werden? „Es muss festgelegt werden, welche staatlichen Strukturen die deutschen Weltrauminteressen auf der internationalen Bühne vertreten bzw. die entsprechenden Entwicklungen auf der nationalen Ebene begleiten und kontrollieren sollen“, so Klaus-Peter Ludwig, stellvertretender Leiter des Fachbereichs. Die Inhalte einer neuen Gesetzgebung sollten entsprechend auf der Basis der aktuellen Strategieüberlegungen abgeleitet werden. In Anlehnung an einen ersten Entwurf, der vor einigen Jahren im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) erarbeitet wurde, sollte unter anderem folgendes geregelt werden:

  • Eine rechtliche Verankerung der Zielsetzung: die Nutzung und der Ausbau europäischer Satellitentechnologien und Systeme durch nationale Beiträge zum Schutz kritischer nationaler Infrastrukturen, deren Dienstleistungsbereichen und der Bürgerinnen und Bürger.
  • Der Prozess der staatlichen Lizensierung der Unternehmen, die von deutschem Boden Raumfahrtprodukte vertreiben oder Dienste anbieten, inklusive der Benennung des hoheitlichen Organs, das hierfür verantwortlich ist.
  • Lizenzkriterien für Anbieter, die zum Beispiel von deutschem Boden Weltraumwaffen entwickeln bzw. waffentragende Systeme starten oder betreiben wollen.
  • Die Voraussetzungen und Regeln für staatliche Garantien und Schadensdeckungen ab der Höhe eines gesetzten Betrags zur Regulierung von Schäden aus dem Betrieb der Systeme (zum Beispiel bei Satellitenabsturz über bewohntem Gebiet), die durch Policen privater Versicherung nicht zu decken sind.
  • Regeln zur Priorisierung hoheitlicher Aufgaben gegenüber kommerziellen Interessen, zum Beispiel bei einem parallelen Betrieb von staatlichen/militärischen und privaten Systemen. Ähnlich zum Satellitendatensicherheitsgesetz (SatDSig) ist hier zum Beispiel zu regeln, ob es privaten Dienste-Anbietern zeitlich begrenzt untersagt werden kann, Telekommunikations-, Navigations- oder Erdbeobachtungsinformationen der betreffenden Region im Krisenfall auf dem freien Markt anzubieten. In Abhängigkeit von Art und Dauer der staatlichen Intervention ist hinsichtlich des betriebswirtschaftlichen Schadens zudem gegebenenfalls die Frage zu klären, inwieweit vom Staat Schadenersatz zu leisten ist.
  • Sicherheitsvorgaben für einen störungsarmen und umweltverträglichen Betrieb zum Beispiel zur Vermeidung von Weltraumtrümmern.
  • Aussagen zur deutschen Position für international abzustimmende Regularien eines globalen Space Traffic Managements, das den sicheren Betrieb mehrerer privater und staatlicher Konstellation regelt. In diesem Zusammenhang sollte auch frühzeitig auf internationaler Ebene geklärt werden, inwieweit die Vergabe nationaler Lizenzen hinsichtlich einer maximalen Anzahl von Satelliten zu limitieren wäre.
  • Die Regelung eines staatlichen Zugriffs auf Dienste und Daten privater, in Deutschland ansässiger Unternehmen, die im Krisenfall zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erforderlich erscheinen. Dazu gehört auch die Nennung der zuständigen Staatsorgane und deren Kompetenzen zur Erfassung, Verarbeitung, Verknüpfung und Sicherung der Daten und Dienste.

Die abschließende Fragestellung, ob und wenn wie weit ein Punkt einer nationalen, proaktiven und wettbewerbsfördernden Gesetzgebung bedarf, ist eine politische Entscheidung und wird unter anderem von der jeweiligen Gesetzgebung anderer Raumfahrtnationen bzw. deren Einsicht in die Notwendigkeit, dass einige der genannten Themen eher einer supranationalen Einigung bedürfen, abhängen.
 

Pressemitteilung vom 21.1.2019:
Weltraummüll – DGLR rät zum nachhaltigen Umgang mit dem Weltraum

Mit dem Start von Sputnik 1 begann 1957 die praktische Raumfahrt – und damit auch die Vermüllung der Erdumlaufbahnen. Grund dafür ist der starke Anstieg der Trümmerteile durch die größer werdende Anzahl an Starts und Explosionen von alten Satelliten und Oberstufen im All. Allein die Teile über zehn Zentimeter Größe umfassen circa 18.800 Objekte. Vom 22. bis zum 24. Januar 2019 lädt die Europäische Weltraumorganisation ESA nach Darmstadt zur Weltraumsicherheitskonferenz. Eines der prominenten Themen: Der wachsende Weltraummüll und die Beobachtung der Trümmerteile. Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) rät deshalb zu einem nachhaltigeren Umgang mit dem Weltraum.

Funktionsunfähige Satelliten sollten nach Ende des operationellen Betriebs aus der Umlaufbahn entfernt werden, ehe sie auseinanderfallen oder mit anderen kollidieren. Die Raumfahrtagenturen und -nationen sind zwar sehr an der Lösung des Problems interessiert, doch die Bewältigung des gegenwärtigen Mülls übersteigt die Kapazität eines einzelnen Akteurs. Daher wird die internationale Zusammenarbeit beim Thema Weltraummüll unerlässlich sein.

„Betreiben wir weiter Raumfahrt wie bisher, könnte dies für die ferne Zukunft bedeuten, dass katastrophale Kollisionen zum dominierenden Effekt bei der Entstehung von Trümmern werden. Bereits jetzt müssen wir damit rechnen, dass es auf den für uns sehr wichtigen Erdbeobachtungsumlaufbahnen zu einer solchen Instabilität kommen kann“, erklärt Dr. Carsten Wiedemann, Leiter des DGLR-Fachausschusses „Weltraummüll – Erfassung und Analyse“. Die Anzahl der Trümmer und Kollisionen ist auf den niedrigen Erdumlaufbahnen am höchsten. Insbesondere die Bahnhöhen zwischen 800 und 900 Kilometern weisen die höchste Trümmerdichte auf. Das Risiko durch den Weltraummüll wird durch die hohen Kollisionsgeschwindigkeiten verursacht, die auf niedrigen Erdumlaufbahnen auftreten können. Diese liegen in einer Größenordnung von zehn Kilometern pro Sekunde. Bei so hohen Geschwindigkeiten kann ein wenige Zentimeter großes Objekt einen Satelliten vollständig außer Funktion setzen. Ab einer Größe von etwa zehn Zentimetern setzt das Objekt bei einem Einschlag so viel kinetische Energie frei, dass es ein Raumfahrzeug vollkommen zertrümmern kann. In diesem Fall spricht man von einer „katastrophalen Kollision“. Die dabei freigesetzten Trümmerstücke können weitere Kollisionen verursachen und stellen dadurch ein besonderes Risiko dar. Es kann zu einem kaskadenartigen Kollisions-Kettenreaktionseffekt kommen, was auch als „Kessler-Syndrom“ bezeichnet wird.

Der zweite Ort mit einer großen Anzahl von Trümmerteilen befindet sich auf der geostationären Umlaufbahn in circa 36.000 Kilometer Höhe über dem Äquator. Hier ist vor allem der Verbleib der immer mehr werdenden Teile ein Problem. Raumfahrzeuge und Trümmerstücke, die auf dieser hohen Umlaufbahn zurückgelassen werden, bleiben dauerhaft in dieser Region und werden nicht durch natürliche Kräfte wie die Luftreibung beeinflusst, die in niedrigeren Orbits zum Absinken der Teile führt.

Derzeit deuten alle Simulationsrechnungen darauf hin, dass vor allem in 800 Kilometer Höhe die Trümmerzahl in den nächsten Jahrzehnten ansteigen wird. Einerseits häufen sich die Objekte in diesen Bahnen weiter an, da weiterhin neue Satelliten und Raketen-Oberstufen mit dem Ziel 800-Kilometer-Orbit gestartet werden. Werden diese Raumfahrzeuge am Ende ihres Betriebs nicht zum Wiedereintritt gebracht, können sie für Jahrhunderte auf diesen Umlaufbahnen verbleiben. Andererseits ist damit zu rechnen, dass es zunehmend zu Kollisionen dieser Objekte untereinander kommen wird.

Vor diesem Hintergrund ist die Umsetzung von Weltraummüll-Vermeidungsmaßnahmen (Mitigation) und in einigen Fällen auch von Aufräummaßnahmen (Remediation) sehr wichtig. „Weitere Trümmer darf es schlichtweg nicht mehr geben“, so Holger Krag, DGLR-Mitglied und Leiter des ESA-Büros für Raumfahrtrückstände. Da die häufigste Ursache von Fragmentationen die an Bord befindlichen Energiequellen sind, sind das Ablassen von Treibstoffresten, das Entlasten von Druckbehältern sowie die Entladung von Batterien besonders wichtig. Ein weiterer Schritt besteht darin, Masse aus den 800-Kilometer-Bahnen zu entfernen. Aus Sicht der Weltraummüll-Forschung ist es am sinnvollsten, ein kontrolliertes Wiedereintrittsmanöver über einem möglichst dünn besiedelten Gebiet der Erde einzuleiten. Zumindest sollte die Umlaufbahn am Ende der operationellen Lebenszeit so weit abgesenkt werden, dass Raumfahrzeuge spätestens nach 25 Jahren selbstständig in die Atmosphäre eintreten und größtenteils verglühen. Darüber hinaus kann es in Einzelfällen sinnvoll sein, ausgewählte Hochrisikoobjekte durch Bergungsmissionen (Active Debris Removal) aus dem Weltraum zu entfernen. Dazu müssen zunächst Kosten und Risiken abgewogen werden.

Zu den besonderen Herausforderungen zählen in Zukunft die sogenannten Megakonstellationen. Wenn mehrere dieser Konstellationen gleichzeitig im Weltraum betrieben werden, führt dies zu einem drastischen Anstieg der Objektzahlen. “Es ist aber durchaus denkbar, dass bei einer sehr restriktiven Anwendung der bereits bestehenden Regeln zur Vermeidung von Weltraummüll solche Konstellationen stabil betrieben werden können. Solange diese Objekte noch einer Steuerung unterliegen und keiner der Satelliten ausfällt, ist das Problem der Trümmervermehrung theoretisch kontrollierbar“, so Holger Krag.

Kontakt

Dr.-Ing. Christian Langenbach

Dr.-Ing. Christian Langenbach
Leitung

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)
Sonderbeauftragter Beobachtung Markt- und Forschungsentwicklungen Raumfahrt
Forschungsdatenmanager DLR
Max-Reichpietsch-Str. 1-3
51147 Köln

Tel.: +49-(0)2203-601-2704
Fax: +49-(0)2203 601-2820
E-Mail: Christian.Langenbach(at)dlr.de

Dr.-Ing. Christian Langenbach ist nach seinem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik zum DLR gekommen und hat berufsbegleitend promoviert. 2018 berief der Vorstand ihn zum Forschungsdatenmanager DLR für die Gestaltung und Organisation der Themen Open Access, Open Data und Open-Science-Förderung. Daneben koordiniert er die NFDI Aktivitäten des DLR sowie den Helmholtz Metadata Platform Hub Raumfahrt, Luftfahrt und Verkehr (HMC). In der NFDI4Ing ist er Co-spokesperson und Mitglied der Steuerungsgruppe. Bei HMC ist er Mitglied des Coordination Boards.

Dipl.-Ing. Klaus-Peter Ludwig

Dipl.-Ing. Klaus-Peter Ludwig
Stellvertr. Leitung

Craftwerk-Consult
Senior Partner
Otto-Nagel-Str. 6
14467 Potsdam

Tel.: +49 (0)172 - 932 08 85
E-Mail: kp.ludwig(at)craftwerk-consult.de

Nach dem Studium der Luft- und Raumfahrt begann Klaus-Peter Ludwig als Systemingenieur bei der ERNO-Raumfahrttechnik GmbH in Bremen. Dem Unternehmen, bzw. dessen Nachfolgern, blieb er bis ins Frühjahr 2018 treu. Seit Mitte 2018 ist er Managing Partner der Craftwerk-Consult, einem Beratungsunternehmen der Hauptstadtregion. Als System-Ingenieur und Geschäftsentwickler verfügt er über eine 35 jahrige Erfahrung im europäischen Hochtechnologie- und Luft-und Raumfahrtsektor mit Schwerpunkten in der Strategieentwicklung und im Innovationsmanagement entlang der gesamten Wertschöpfungskette.