Die ExperimentalRaumfahrt-InteressenGemeinschaft e.V. ist eine wissenschaftlich-studentische Vereinigung an der TU Braunschweig. Die Studenten bauen Experimentalraketen und entwickeln einen Kleinsatelliten.

Mehr Informationen auf der Webseite von ERIG.

Aktuelles

Neue Herausforderungen für die ERIG

Seit mittlerweile beinahe 20 Jahren stellt sich eine Gruppe von Studierenden aus Braunschweig den Herausforderungen der Raumfahrt. Ihr Fokus liegt auf Experimentalraketen, mit denen sie an vielen Projekten bis hin zum STERN(Studentische Experimental-Raketen)- und REXUS(Rocket Experiments for University Students)-Programm teilnehmen.

Die ExperimentalRaumfahrt-InteressenGemeinschaft e.V., kurz ERIG, wurde im Jahr 1999 als studentische Vereinigung gegründet. Ihre Geschichte begann auf dem Space Festival 1997, einem Raketenstarttag für Modell- und Experimentalraketen. Auf dieser Veranstaltung ließen die Studenten Stefan Linke und Niels Ohrmann ihre Modellraketen fliegen. Es folgte das „Festival Européen de l’Êspace“, das mit größeren Flughöhen und Motoren einen idealen Ansporn für den Raketenbau bot. Schnell waren weitere Raketenbegeisterte gefunden, die im August 1999 die ERIG gegründeten. Ihr Ziel: Das in den Vorlesungen theoretisch Gelernte in der Praxis mit Spaß umzusetzen.

Vor drei Jahren stellte sich die ERIG im „Luft- und Raumfahrt“-Magazin erstmals vor. Seitdem wurden viele neue Projekte gestartet und abgeschlossen. Neben der Entwicklung von kleineren Experimentalraketen und den Starts von Wetterballons mit eigenen Nutzlasten, nahmen die Studierenden die Gelegenheiten wahr, an großen Programmen teilzunehmen.

STERN-II-Projekt

In Kooperation mit dem Institut für Raumfahrtsysteme (IRAS) der Technischen Universität Braunschweig nimmt die ERIG seit Herbst 2017 an der zweiten Auflage des STERN-Programms (STERN II) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) teil. Im Rahmen des Programms wird eine Experimentaltrakete mit Hybridantrieb entwickelt, getestet und gebaut. Ziel ist es, im Frühjahr 2020 einen Raketenstart auf der Raketenbasis Esrange in Nordschweden durchzuführen.

Die FAUST II ist eine Weiterentwicklung der FAUST, die innerhalb des ersten STERN-Programms entwickelt und 2015 erfolgreich gestartet wurde. Mit einer Länge von 4,5 Metern und einem Startgewicht von 40 Kilogramm soll die FAUST II eine Apogäumshöhe von elf Kilometern erreichen. Der Fokus liegt auf einer Integralbauweise der Struktur und einer daraus folgenden Gewichtsoptimierung, sowie einem leistungsfähigeren Antriebssegment.

Das Antriebssegment setzt sich aus den Komponenten Brennkammer, Hauptventil, Oxidatortank, Druckminderer und Hochdrucktank zusammen. Das entwickelte Triebwerk HYDRA 4X erzeugt einen Schub von 2,3 Kilonewton und einen Totalimpuls von 36.000 Newtonsekunden. Als Hybridantrieb zeichnet sich das System vor allem durch die Kombination aus dem festen Brennstoff HTPB (Hydroxyl-terminiertem Polybutadien) in der Brennkammer und dem flüssigen Oxidator Distickstoffmonoxid (Lachgas) aus. Das Lachgas wird aus dem Oxidatortank über ein Hochdruckgasfördersystem mit Helium zur Brennkammer geleitet und dort mithilfe eines Showerhead-Injektors in die Brennkammer eingespritzt. Sowohl der Oxidator- als auch der Heliumtank wurden aus einem Aluminiumliner und CFK-Wickelung in Leichtbauweise selbst hergestellt.

Die Raketenelektronik wurde in vielen Bereichen weiterentwickelt und besteht aus mehreren dezentralen Einheiten. Eine der Kernkomponenten ist die Power Control Unit (PCU), die über drei redundante Kanäle eine intelligente Energieverteilung an alle Komponenten sicherstellen kann. Außerdem ist sie die Verbindung zum Ground Support Equipment und zündet die pyrotechnischen Einheiten zur Auslösung des Bergungssystems. Der CAN-Bus (Controller Area Network) der Rakete verbindet alle Komponenten mit einer Datenleitung. Zwei kommerzielle Altimeter bestimmen aus einer Sensordatenfusion mit Druck- und Beschleunigungssensoren das Apogäum und geben das Signal zur Auslösung des Bergungssystems. Der Telemetry and Avionics Computer (TAC) beinhaltet eine Inertial Measurement Unit (IMU), GPS und eine barometrische Höhenmessung. Über eine Telemetrieeinheit werden die Daten zur Bodenstation gesendet. Über die GPS-Position kann die Rakete nach der Landung gefunden und geborgen werden. Um die Leistungsfähigkeit des Antriebs zu messen, werden verschiedene Drucksensoren im Antriebssegment verbaut. Die Tail Measurement Unit (TMU) nimmt diese Daten auf und schickt sie über die Telemetrie zur Bodenstation. Eine Black Box sichert die Daten in der Rakete im Falle einer Anomalie während des Flugs.

Die Bergung erfolgt über ein zweistufiges Fallschirmsystem. Der Vorfallschirm ist während des Flugs in der Spitze integriert. Die dazugehörige Verseilung und der Hauptfallschirm befinden sich im dahinterliegenden Fallschirmsegment. Im Apogäum wird die Spitze durch die pyrotechnische Einheit von der Rakete getrennt und der Vorfallschirm freigegeben. Bei Erreichen einer Höhe von mehreren hundert Metern über Grund wird der Hauptfallschirm geöffnet, wodurch die Rakete sicher landet. Nach bestätigter Landung kann die Rakete mithilfe der GPS-Position geborgen werden.

In der aktuellen Projektphase stehen unterschiedliche Tests zu diversen Raketenkomponenten an. Das Antriebssegment wird am DLR in Trauen in mehreren Triebwerkstests erprobt. Hier wird schrittweise das vollständige Antriebssystem der Rakete verwendet. Im nächsten Test folgen die Brennkammer, der Fluginjektor und das Hauptventil. Gleichzeitig wird der Testträger MIMAS, eine kleinere Rakete mit Feststoffmotor, für den Start vorbereitet. Dadurch werden Elektronikkomponenten getestet sowie die Zuverlässigkeit des Bergungssystems validiert. Mit diesen Tests sollen die einzelnen Subsysteme verifiziert werden, um 2020 einen erfolgreichen Start  zu ermöglichen.

REXUS-Programm

Am REXUS -Programm hat die ERIG bereits mehrfach erfolgreich teilgenommen. Das Programm ermöglicht es Studierenden aus ganz Europa, wissenschaftliche und technologische Experimente mit Forschungsraketen und Höhenforschungsballons durchzuführen. Zuletzt entwickelte die ERIG das Physikexperiment ELVIS (Exploration of Low-Velocity collisions In Saturn’s rings) für die REXUS 26-Kampagne. Beim REXUS-Programm werden die Experimente mit einer Rakete auf eine Höhe von circa 90 Kilometern befördert und anschließend mit einem Fallschirm geborgen. Dabei sind sie fast drei Minuten lang in Mikrogravitation.

Das Ziel von ELVIS ist es, mehr über die Kollisionseigenschaften der Partikel in den Saturnringen zu lernen. Dazu wurde ein Analogexperiment entwickelt, das Glaskugeln in Schwerelosigkeit zum Kollidieren bringt. Das Verhalten der Kugeln während der Schwerelosigkeit wird von drei Kameras beobachtet. In der Datenauswertung wird die Ballung der Kugeln untersucht. Mit den gewonnenen Daten können Simulationen der Teilchen in den Saturnringen verifiziert werden. Bei ELVIS arbeitete die ERIG zusammen mit Studierenden des Instituts für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGeP) der TU Braunschweig.

Im Februar 2018 setzte sich die ERIG mit der Idee von ELVIS gegen andere Bewerber durch und durfte das vorläufige Design beim Preliminary Design Review (PDR) in Kiruna, Schweden, einer Runde von Experten des DLR, der SNSA (Swedish National Space Agency), der ESA und des ZARM (Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation) vorstellen. Anschließend hatten die Studierenden die Möglichkeit, in der Training Week anhand zahlreicher Workshops ihr Wissen zu vielen relevanten Themen zu erweitern. Im Sommer 2018 wurde der Entwicklungsstand des ELVIS-Experiments beim Critical Design Review (CDR) im GSOC (German Space Operations Center) in Oberpaffenhofen ein weiteres Mal auf Herz und Nieren überprüft. Anschließend konnte mit der Fertigung begonnen werden. Es folgte ein Treffen mit allen REXUS-Teams in Bremen. Highlight war schließlich die zweiwöchige Startkampagne in Nordschweden im März 2019. Ein einzigartiges Erlebnis für alle Beteiligten. Nicht zuletzt, weil das ELVIS-Experiment während des Flugs einwandfrei funktionierte und damit erfolgreich Daten für die Forschung an den Saturnringen lieferte.

Zukünftige Projekte

Gegen Ende 2019 steht die erneute Bewerbung zum REXUS-Programm an, bei der das Team mit einer neuen Projektidee an den Start gehen möchte. Das STERN-Programm neigt sich derweil der finalen Phase zu. In der Arbeitsgemeinschaft Experimentalraketen wird neben der FAUST II die Rhea-Rakete, eine zweistufige Rakete mit einer maximalen Geschwindigkeit von circa Mach drei und einer Maximalflughöhe von circa 15 Kilometern entwickelt. Der erste Testflug der Oberstufe soll Ende des Jahres in Drawsko Pomorskie, Polen, stattfinden.

Außerdem konstruieren und bauen die neuen Studierenden bei ERIG erste kleinere Raketen, die regelmäßig und innerhalb von kurzer Zeit gestartet werden können. So bekommen sie erste Einblicke in die Herausforderungen und Möglichkeiten der Raketenentwicklung. Außerdem befasst sich die ERIG seit Kurzem mit der Entwicklung eines eigenen Marsroverprototypen zur Teilnahme an der European Rover Challenge 2020. Dabei werden derzeit die ersten Konzepte für Fahrwerk, Energieversorgung und die Payload, bestehend aus einem robotischen Manipulator, sowie die ersten Ideen zur softwareseitigen Navigation und Steuerung des Rovers entwickelt und erprobt.