27.03.2024 - Allgemein, Raumfahrt

Astronomen enthüllen starke magnetische Felder am Rande des zentralen Schwarzen Lochs der Milchstraße

Ein neues Bild der Event Horizon Telescope (EHT) Kollaboration mit maßgeblicher Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn hat starke und organisierte Magnetfelder nachgewiesen, die sich spiralförmig vom Rand des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* (Sgr A*) ausbreiten. Dieser neue Blick auf das Monster im Zentrum der Milchstraße, zum ersten Mal aufgenommen in polarisiertem Radiolicht, zeigt eine Magnetfeldstruktur, die der des Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie M87 verblüffend ähnlich ist. Das deutet darauf hin, dass starke Magnetfelder allen Schwarzen Löchern gemeinsam sind. Diese Ähnlichkeit lässt auch auf einen verborgenen Jet in Sgr A* schließen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.


Bild: EHT Collaboration

Das erste Bild von Sgr A* in etwa 27.000 Lichtjahren Entfernung von der Erde wurde im Jahr 2022 veröffentlicht. Dabei zeigte sich, dass das supermassereiche Schwarze Loch in der Milchstraße zwar mehr als tausendmal kleiner und weniger massereich ist als das von M87, aber dennoch bemerkenswert ähnlich aussieht. Dies veranlasste die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu der Frage, ob die beiden Objekte über ihr Aussehen hinaus gemeinsame Merkmale aufweisen. Um das herauszufinden, beschloss das Team, Sgr A* in polarisiertem Licht zu untersuchen. Frühere Studien des Lichts in der Umgebung von M87* zeigten, dass die Magnetfelder um dieses gewaltige Schwarze Loch es ihm ermöglichen, starke Materialstrahlen bzw. Jets in die Umgebung zu schleudern. Darauf aufbauend haben die neuen Bilder gezeigt, dass dasselbe auch für Sgr A* gelten könnte.

„Was wir jetzt sehen, ist, dass es starke, verdrehte und organisierte Magnetfelder in der Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraßengalaxie gibt“, sagt Sara Issaoun vom Harvard Center for Astrophysics, Co-Leiterin des Projekts. „Zusammen mit der Tatsache, dass Sgr A* eine auffallend ähnliche Polarisationsstruktur aufweist wie das viel größere und massereichere Schwarze Loch M87*, haben wir gelernt, dass starke und geordnete Magnetfelder entscheidend dafür sind, wie Schwarze Löcher mit dem Gas und der Materie um sie herum wechselwirken.“

Licht ist eine schwingende oder sich bewegende elektromagnetische Welle, die es uns ermöglicht, Objekte wahrzunehmen. Manchmal schwingt das Licht in einer bevorzugten Ausrichtung, die wir als "polarisiert" bezeichnen. Obwohl uns polarisiertes Licht umgibt, ist es für das menschliche Auge nicht von "normalem" Licht zu unterscheiden. Im Plasma um die Schwarzen Löcher wirbeln die Teilchen um die Magnetfeldlinien und erzeugen ein Polarisationsmuster, das senkrecht zum Feld steht. Dies ermöglicht es den Astronomen, die Vorgänge in den Regionen der Schwarzen Löcher immer genauer zu beobachten und deren Magnetfeldlinien zu kartieren.

Neben der Gesamtintensität verrät die Polarisationsinformation des Lichts viel mehr über die Astrophysik, die Eigenschaften des Gases und die Mechanismen, die bei der Fütterung eines Schwarzen Lochs ablaufen. Durch die Abbildung des polarisierten Lichts von heißem, glühendem Gas in der Nähe von Schwarzen Löchern können Astronomen direkt auf die Struktur und Stärke der Magnetfelder schließen, die den Fluss von Gas und Materie steuern, den das Schwarze Loch aufnimmt und ausstößt.

Zu den Herausforderungen sagt Maciek Wielgus vom MPIfR: „Schwarze Löcher in polarisiertem Licht zu visualisieren ist nicht so einfach, wie eine polarisierte Sonnenbrille aufzusetzen. Dies gilt insbesondere für Sgr A*, das sich in rasantem Tempo dynamisch verändert, so dass es für die Bildgebung nicht ruhig bleibt. Es war eine große Herausforderung, durch diese Schwankungen des Signals zu navigieren, aber am Ende haben wir uns durchgesetzt.“  Die Aufnahme von Bildern des supermassereichen Schwarzen Lochs erfordert modernste Instrumente, die über das hinausgehen, was für die Beobachtung der stabileren Quelle M87* verwendet wurde. Angesichts der schwer fassbaren Natur von Sgr A* erschwert seine variable Beschaffenheit die Erstellung selbst eines unpolarisierten Bildes. Daher wurde das ursprüngliche Bild durch Zusammenfügen mehrerer Schnappschüsse erstellt, um der Bewegung von Sgr A* Rechnung zu tragen. Wielgus erklärt weiterhin: „Bestimmte Modelle erwiesen sich als zu chaotisch und turbulent, um ein polarisiertes Bild zu entziffern, aber die Natur zeigte sich als weniger hart und ermöglichte uns so den Erfolg.“

Ergänzende Beobachtungen mit dem Global mm-VLBI Array (GMVA), das bei einer Wellenlänge von 3,5 mm beobachtet (vgl. 1,3 mm für das EHT), leisteten einen wichtigen Beitrag zu den hier vorgestellten Arbeiten.  Eduardo Ros, MPIfR-Astronom, Mitglied der EHT-Kollaboration und europäischer GMVA-Planer, sagt: „Der erste Schritt, um den Schleier über dem galaktischen Zentrum zu lüften, waren unsere GMVA-Beobachtungen zusammen mit ALMA, die im Januar 2019 vorgestellt wurden.  Wir werden fortfahren, Stein für Stein das Gebäude unseres Verständnisses der Physik dieser Quellen um supermassereiche Schwarze Löcher herum zu errichten.“

Die Wissenschaftler sind begeistert, dass sie nun Bilder von beiden supermassereichen Schwarzen Löchern in polarisiertem Licht haben. Diese Bilder und die dazugehörigen Daten bieten neue Möglichkeiten, Schwarze Löcher unterschiedlicher Größe und Masse zu vergleichen und einander gegenüberzustellen. Mit der Verbesserung der Technologie werden die Bilder wahrscheinlich noch mehr Geheimnisse der Schwarzen Löcher und ihrer Ähnlichkeiten oder Unterschiede enthüllen.

Christian Fromm, von der Universität Würzburg, der mehrere Arbeiten in der Theoriegruppe am EHT leitete, wo numerische Simulationen entwickelt wurden, um die Physik des Objekts zu verstehen, sagt: „Die auffallende Ähnlichkeit zwischen der Magnetfeldstruktur von M87* und der von Sgr A* ist bemerkenswert, weil sie die Möglichkeit aufwirft, dass trotz der Unterschiede in Masse, Größe und Umgebung die physikalischen Mechanismen, die die Fütterung und den Jetauswurf eines Schwarzen Lochs steuern, allen supermassereichen Schwarzen Löchern gemeinsam sind.“ Er fährt fort: „Wir können dieses Ergebnis nun nutzen, um theoretische Modelle und Simulationen zu verbessern, was zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen auf die Materie in der Nähe des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs führt.“

Das EHT hat seit 2017 mehrere Beobachtungen durchgeführt und wird Sgr A* voraussichtlich im April 2024 erneut beobachten. Jedes Jahr werden die Bilder besser, da das EHT neue Teleskope, größere Bandbreiten und neue Beobachtungsfrequenzen einsetzt. Die für das nächste Jahrzehnt geplanten Aufrüstungen werden hochauflösende Filme von Sgr A* ermöglichen, die möglicherweise einen verborgenen Jet enthüllen und es den Astronomen erlauben, ähnliche Polarisationsmerkmale in anderen Schwarzen Löchern zu beobachten. In der Zwischenzeit wird die Erweiterung des EHT in den Weltraum schärfere Bilder von Schwarzen Löchern liefern als je zuvor.

Um die physikalischen Prozesse hinter den Jets in aktiven Galaxienkernen und die Rolle der Magnetfelder in der Nähe der zentralen, treibenden Schwarzen Löcher besser zu verstehen, hat der Europäische Forschungsrat das M2FINDERS-Projekt an Prof. Anton Zensus, Direktor am MPIfR, vergeben.  Er sagt: „Die Entdeckung dieser Magnetfelder öffnet ein Fenster in die innersten Regionen von Sgr A*, wo das Zusammenspiel von Gravitation, Magnetismus und Raumzeitkrümmung seinen Höhepunkt erreicht. Je tiefer wir in dieses kosmische Rätsel eindringen, desto mehr Durchbrüche erwarten wir, die die grundlegende Natur Schwarzer Löcher und ihren Einfluss auf galaktische Ökosysteme erhellen werden. Ein wichtiger Schritt zum Verständnis des Innenlebens dieser extremen kosmischen Objekte war das ikonische Bild der Silhouette der Schwarzen Löcher in Messier 87 und im Galaktischen Zentrum, das heute durch das Bild des polarisierten Lichts in Sgr A* ergänzt wird.“  Er schließt ab: „Unser M2FINDERS-Projekt leistet seit November 2021 einen wichtigen Beitrag zu den Ergebnissen mit dem EHT.“

Quelle: https://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2024/6