Ludwig Prandtl und die DGLR

Die Entstehungsgeschichte des Ludwig-Prandtl-Rings ist eng mit dem Werk ihres Namensgebers verwoben. Seine Vergabe erweist nicht nur dem Preisträger Ehre, sondern gleichzeitig auch dem deutschen Ingenieur Ludwig Prandtl, der als Vater der Aerodynamik bekannt wurde und eines der Gründungsmitglieder der heutigen Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) war.

Prandtl wurde 1875 in Freising geboren und schloss sein Studium zum geprüften Maschinen-Ingenieur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ab. Vor seiner Promotion war er als Assistent des Mechanikers August Föppl tätig. Seine Berufslaufbahn fand nach dem Hochschulabschluss bei der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg ihren Anfang, wo er an der Entwicklung von Fabrikanlagen arbeitete. Hier kam er bei der Arbeit an einer Absauganlage erstmals mit der Strömungstechnik in Kontakt. Später wurde er als Professor an die TH Hannover und an die Georg-August-Universität Göttingen berufen, wo von 1906 bis 1908 Theodor von Kármán sein Doktorand war.

Pionier der Strömungslehre

Prandtls wissenschaftliche Leistungen decken eine Vielzahl an Themen ab. Mit seinen Beiträgen zur Genzschichttheorie, Tragflügeltheorie und Theorie der turbulenten Strömungen schuf er die Grundlagen der modernen Strömungsmechanik.

In die hydrodynamische Grenzschicht führte er 1904 beim dritten internationalen Mathematiker-Kongress ein. Durch sie wurde er 1909 Leiter der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen (AVA). 1908 baute er den ersten Windkanal in Deutschland, der zur Untersuchung des Auftriebs diente. Unter dessen Verwendung entwickelte er seine Tragflügeltheorie, die bedeutenden Einfluss auf den Flugzeugbau hatte. Von seinem Einfluss auf dem Gebiet der turbulenten Strömungen zeugt unter anderem die nach ihm benannte Prandtl-Zahl.

Ein weiterer seiner Forschungsschwerpunkte war die Überschallströmung und die dabei entstehenden Stoßwellen. Ab 1920 arbeitete er gemeinsam mit Adolf Busemann an einem Windkanal für Überschallströmungen und entwickelte eine Methode zur Berechnung von Überschalldüsen. Zudem gilt er als einer der Vorreiter der Plastizitätstheorie, die sich mit der irreversiblen Umformung von Materie beschäftigt. Von 1925 bis 1946 war er Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Strömungsforschung, das dank seiner Initiative eingerichtet wurde.

Botschafter der Wissenschaft

Ludwig Prandtls Verdienste liegen jedoch nicht nur in der Forschung selbst, sondern auch im Aufbau eines umfassenden wissenschaftlich-technischen Netzwerks, das dem Austausch und der Förderung dienen sollte. Als 1912 die Wissenschaftliche Gesellschaft für Flugtechnik (WGF) – die erste Vorgängergesellschaft der DGLR – gegründet wurde, wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden ernannt und trug aktiv dazu bei, dieses Forum zu gestalten.

Die erste offizielle Versammlung der WGF fand am 3. April 1912 unter dem Vorsitz von Prinz Heinrich von Preußen statt. Prandtl hielt hier vor etwa 120 Interessenten eine Rede, in der er die Ziele und Hauptaufgaben der WGF darlegte. Sie werden bekannt vorkommen, denn sie decken sich noch immer erheblich mit denen der heutigen DGLR: Die Veranstaltung von Versammlungen, der Zusammenschluss der wissenschaftlichen und technischen Kreise des Luftfahrzeugbaus und der verwandten Gebiete, die Beratung in Sonderausschüssen sowie die Anregung und Drucklegung von Forschungsarbeiten.

Diese Ziele sollten etwa durch wissenschaftliche und technische Vorträge, Debatten über aktuelle Fragen und gegenseitige Zusammenarbeit verwirklicht werden.

Ludwig Prandtl und die DGLR

Der Motivation, Luftfahrt in Deutschland durch engere Vernetzung und Zusammenarbeit wettbewerbsfähig zu halten, folgten rasch Taten. Bereits am Tag nach ihrer Gründung fand die erste wissenschaftliche Sitzung der WGF statt. So entstand auf Initiative der Göttinger Vereinigung für angewandte Physik und Mathematik, einer losen Gemeinschaft von Industriellen und Göttinger Professoren, der Vorgänger der heutigen DGLR. Ludwig Prandtl spielte dabei eine Schlüsselrolle.

1914 wurde die WGF aufgrund der Erweiterung der Unterausschüsse in Wissenschaftliche Gesellschaft für Luftfahrt (WGL) umbenannt. Bei der Versammlung zur ihrer Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Prandtl 1952 einstimmig zum Ehrenmitglied gewählt. Damit stellte er eine Verbindung der alten und neuen WGL sowie der Lilienthal-Gesellschaft her, deren Vorstand er von 1940 bis 1945 gewesen war. Den Beschluss, sich auch mit Raumfahrttechnik zu beschäftigen, und die Entwicklung zur DGLR erlebte Ludwig Prandtl nicht mehr: Er starb 1953 in Göttingen. Noch heute findet ihm zu Ehren jährlich die Ludwig-Prandtl-Gedächtnisvorlesung statt.