02.12.2025 - Allgemein, Luftfahrt

Drohnen spüren Glutnester in Wäldern auf

Im EU-geförderten Projekt PROACTIF und unter Koordination von Nokia arbeiten 42 europäische Partner aus Forschung und Industrie an einem neuen Multi-Sensorsystem, welches spezifisch für Drohnen konzipiert ist. Unter der Leitung des Fraunhofer IZM entwickelt das deutsche Konsortium ein innovatives Multi-Sensormodul zur automatischen Hitzedetektion für Drohnen, das Radar- und Infrarottechnik in einer kompakten Einheit vereint. Durch die Kombination von Kurz- und Langstreckenradar mit drei innovativen Packaging-Technologien entsteht ein leichtes und robustes System, welches eine präzise Lageerfassung auch unter der Baumkrone ermöglicht und so die zuverlässige Sichtung von Glutnestern bei Waldbränden gewährleistet.


Symbolbild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Waldbrände gehören mittlerweile auch in Mitteleuropa zu den großen Herausforderungen für Feuerwehr und Katastrophenschutz. Kritisch dabei ist die Suche und das Löschen von Glutnestern im Unterholz. Herkömmliche Drohnen stoßen hier schnell an ihre Grenzen: Für einen Flug durch die dichte Vegetation sind diese zu groß und zu schwer. Wärmebildkameras sind oft nicht empfindlich genug und liefern so keine verlässlichen Daten über verdeckte Brandherde. Aktuell müssen Feuerwehrleute oft per Hand mit einem Spaten Glutnester aufspüren, die sich in bis zu 1,5 Meter Tiefe befinden.

Das deutsche Konsortium im Projekt PROACTIF entwickelt dafür eine neue Lösung: Ein Multisensormodul, das Radar- und Infrarotsensorik erstmals in einer ultraleichten und kompakten Einheit unter 3 Kilogramm vereint. Die Firma Heimann Sensor GmbH liefert hierfür Infrarotsensoren, während Forschende am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM zusammen mit der InnoSenT GmbH die neuartige Radarsensorik entwickeln und den Infrarotsensor in das System einsetzen. Durch die Kombination von Kurz- und Langstreckenradar mit einer Reichweite von 80 beziehungsweise 200 Metern kann die neu entwickelte Drohne mit einem 360-Grad Blick vollautomatisiert sowohl Hindernisse in unmittelbarer Umgebung erkennen als auch größere Waldflächen überblicken und so erstmalig mit 30 Kilometer pro Stunde auch unter der Baumkrone durchfliegen, während der Infrarotsensor die Glutnester erkennt.

Drei Packagingtechnologien für eine bestmögliche Umsetzung

Die einzigartige Expertise am Fraunhofer IZM ermöglicht eine Kombination dreier Schlüsseltechnologien aus der Aufbau- und Verbindungstechnik:

• LTCC-Technologie (Low-Temperature Co-fired Ceramic) ermöglicht leistungsstarke Hochfrequenzantennen und stabile Signalverarbeitung auch bei hohen Temperaturen.

• Molding-Technologie erlaubt die dreidimensionale Formung von Antennenstrukturen und minimiert Signalverluste, was entscheidend für das Long-Range-Radar ist.

• Embedding-Technologe integriert die Kurzstreckensensorik platzsparend in flexible Materialien und reduziert Gewicht und Baugröße.

Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer IZM Dr.-Ing. Christian Tschoban fasst zusammen: „Erst durch das Zusammenspiel von LTCC-, Molding- und Embedding-Technologien gelingt es, Short- und Long-Range-Radar gemeinsam mit Infrarotsensoren in einem ultrakompakten Modul zu verbinden. Das Ergebnis ist ein sogenanntes Multi-Sensor-Packaging, eine leichte Sensoreinheit, die hohe Auflösung, Robustheit und Energieeffizienz miteinander verbindet.“

Praxisdemonstration in deutschen Wäldern

Das Multi-Sensormodul wird zeitnah in Deutschland in einem praxisnahen Szenario erprobt. In enger Absprache mit Forstamt und Feuerwehr testen die Forschenden den Einsatz der Drohnen im Münsterland und bei Wiesenburg. Bei dem simulierten Brand wird besonders darauf geachtet, dass dieser außerhalb der Trockenzeiten stattfinden, sowie auf Vogelschutz. Die Drohnen sollen dabei selbstständig durch das Waldgebiet fliegen und Hindernisse und Glutnester in Echtzeit erkennen. Langfristig sollen die Drohnen bei Eingang einer Waldbrandmeldung selbstständig losfliegen und schon vor Eintreffen der Einsatzkräfte ein genaues Lagebild erstellen und Auskunft darüber geben, wie viele Helferinnen und Helfer tatsächlich gebraucht werden.

Darüber hinaus eröffnet die Technologie Möglichkeiten bei Such- und Rettungsaktionen oder der Überwachung kritischer Infrastrukturen. Mit etwa 25 Prozent des gesamten Konsortiums im Projekt PROACTIF leistet das deutsche Konsortium einen entscheidenden Beitrag dazu, autonome Systeme in Europa leistungsfähiger und sicherer zu machen.

Das Projekt PROACTIF läuft vom 01.06.2025 – 30.04.2028 und wird im Rahmen des Chips Joint Undertaking (HORIZON-JU-Chips-2024-1-IA-T1) mit insgesamt 41,8 Millionen Euro gefördert, darunter 2,02 Millionen Euro vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), 320.000 Euro vom Freistaat Sachsen und 90.000 Euro vom Freistaat Thüringen. Das Projekt, an dem sich 42 europäische Institutionen, darunter fünf aus Deutschland, beteiligen, ist Teil der deutschen Strategie zur Sicherung der technologischen Souveränität im Bereich der Quantenforschung. Übergeordnetes Ziel ist es, die europäische Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Technologie für personenlose Missionen erheblich zu steigern sowie die Kosteneffizienz und Wirksamkeit der autonomen Überwachung kritischer Infrastrukturen zu erhöhen.

Quelle: https://www.izm.fraunhofer.de/de/news_events/tech_news/proactif.html