28.02.2024 - Allgemein, Raumfahrt

Olympia Planum – Zwischen Dünen und Steilwänden aus Eis

Diese Bilder der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelten und betriebenen hochauflösenden Stereokamera (HRSC) an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen einen Ausschnitt der Nordpolregion des Mars‘. Mehrere steile, bis zu 1.000 Meter hohe Abbruchkanten markieren die Grenze zwischen der Nordpoleiskappe und dem tiefergelegenen umliegenden Terrain mit großen Dünenfeldern. Mit ihren Schichten stellen sie eine Art Klimaarchiv des Mars‘ dar und erlauben Rückschlüsse auf die geologische Marsgeschichte.


Bild: ESA/DLR/FU Berlin (CC BY-SA 3.0 IGO)

Seit 2004 kartiert die HRSC den Mars in hoher Auflösung, dreidimensional und in Farbe. Ihre Daten sind eine wichtige Ressource für die gegenwärtige und zukünftige Marsforschung. Die Untersuchung der hohen nördlichen und südlichen Breiten mit ihren jahreszeitlich wachsenden und schrumpfenden Eiskappen ist besonders wichtig für die Entschlüsselung der jüngeren geologischen Vergangenheit des Planeten und ihrer gegenwärtigen atmosphärischen Prozesse.

Veränderung der Marsoberfläche im Wandel der Jahreszeiten

Die permanente Nordpoleiskappe des Mars ist ein bis zu drei Kilometer dicker Stapel von Wassereis- und Staubschichten mit einem Durchmesser von etwa 1.000 Kilometern. Sie gliedert sich in vier unterschiedlich dicke, übereinander gestapelte „Pakete“, die wiederum aus feinere Schichten aufgebaut sind. Diese Schichten enthalten Informationen über das Klima, die einige Millionen Jahre in der Marsgeschichte zurückreichen. Entstanden sind die Ablagerungen durch atmosphärischen Niederschlag von Staub und Wassereis (in Form von Schnee) sowie durch direkte Frostkondensation. Sie bestehen größtenteils aus Wassereis, der Anteil feiner Staubsedimente liegt zwischen zehn und 15 Prozent.

Wahrscheinlich spiegeln sie Veränderungen der Marsumlaufbahn und der Neigung der Drehachse des Planeten wider, deren Orientierung viel instabiler als die der Erde ist. Sie variiert in mehreren Zyklen mit Perioden von einigen Tausend bis zu einigen Millionen Jahren. Durch die unterschiedliche Sonneneinstrahlung kommt es vor allem an den Polen zu stark variierendem Klima. Gegenwärtig, so nimmt man an, wächst die Nordpol-Eiskappe.

Während des sechsmonatigen Marswinters bildet sich über der permanenten Wassereiskappe eine zusätzliche Schicht aus Kohlendioxideis, das aus der Atmosphäre ausfällt und im Sommer vollständig in die Atmosphäre sublimiert. Da die Rotationsachse des Planeten um 25 Grad – bei der Erde sind es etwa 23 Grad – gegenüber der Bahnebene um die Sonne geneigt ist, hat der Mars ebenfalls ausgeprägte Jahreszeiten. Nur sind sie, wegen der zweijährigen Umlaufzeit, doppelt so lang, wie auf der Erde. Dabei kommt es wie bei uns in der Antarktis und Arktis zu langen Polarnächsten mit Temperaturen von bis zu minus 130 Grad Celsius. Die gezeigten Bilder wurden während des letzten Frühlings auf der Nordhalbkugel aufgenommen, gegenwärtig herrscht dort die Polarnacht, am 7. Juni 2024 ist die Wintersonnwende.

Die Polkappe selbst zeigt eine glatte und unberührte Oberfläche mit einigen sichtbaren Schichten, die jedoch keine Einschlagskrater aufweist. Dies bedeutet, dass die Oberfläche sehr jung ist und wahrscheinlich jedes Marsjahr erneut von einer Staubschicht bedeckt wird.

Die außergewöhnlichen „Spiralarme“ des Marsnordpols

Ebenfalls gut in den Bildern zu erkennen sind zwei halbkreisförmige Klippen, von denen die größere einen Durchmesser von 20 Kilometern hat. Sie befinden sich in einem sogenannten Polartrog, einer morphologischen Besonderheit, die durch die Erosionskraft des Windes entsteht. Diese im Uhrzeigersinn orientierten Tröge erzeugen das charakteristische Spiralmuster des Polarplateaus.

Die Klippen auf diesen HRSC-Bildern zeigen eine vertikale Wand aus geschichtetem Eis, die an einigen Stellen mehr als einen Kilometer hoch ist. Der starke Schattenwurf verdeutlicht ihre Steilheit. Dies wird besonders deutlich bei Betrachtung des 3D-Bildes. Am Fuße der Klippen sind Spuren von ausgeprägter Erosion zu erkennen, die weitere Schichten freilegen. Die Flächen innerhalb der Tröge sind mit großen, frostbedeckten Dünenfeldern übersät. Sind die Dünen nicht von einer Schicht aus Raureif bedeckt, haben sie eine dunkle, grau-schwarze Farbe.

Geologische Besonderheiten der Mars-Dünen

Das auf den Bildern zu sehende langgestreckte Dünenfeld erstreckt sich insgesamt über mehr als 150 Kilometer. Es ist deutlich, dass die Sande, die dieses Dünenfeld bilden, aus der Erosion der polaren Ablagerungen an der hier sichtbaren großen Steilwand stammen. Anhand der Morphologie der Dünen ist auch die Transportrichtung der Sande, weg von der Klippe in Richtung Süden, ablesbar. Dieses größere, südlichere Dünenfeld der Szenerie ist nicht von einer Frostschicht, sondern von einer dünnen Staubschicht bedeckt, was zu der bräunlichen Farbe des Dünenfeldes führt. In größerer Entfernung um die Nordpolarregion herum befinden sich die sogenannten Olympia Undae, die „Wellen von Olympia“, ein weiteres, riesiges Dünenfeld, das sich über eine Fläche von 470.000 Quadratkilometern zwischen 78 Grad und 83 Grad nördlicher Breite erstreckt. Dieses Gebiet etwa so groß wie die gesamte Balkanhalbinsel. Dunkle Dünenfelder sind auf dem Mars sehr häufig anzutreffen, zum Beispiel auf dem Boden zahlreicher Einschlagskrater. Die Dünen am Nordpol stellen aufgrund ihrer mineralogischen Zusammensetzung allerdings eine Besonderheit dar.

Bereits 2005, kurz nach der Ankunft des Orbiters Mars Express am Mars, entdeckte ein Spektrometer zur Bestimmung der Mineralogie der Marsoberfläche namens OMEGA (Observatoire pour la Minéralogie, l’Eau, les Glaces et l’Activité), hohe Konzentrationen von Gips (Kalziumsulfat mit Wassermolekülen im Kristallgitter) auf den Dünen von Olympia Undae. Diese Dünen sind aufgrund ihrer einzigartigen Gipszusammensetzung, ihrer Nähe zu den polaren Eisvorkommen und ihrer jahreszeitlichen Veränderungen ein faszinierendes Untersuchungsobjekt. So nimmt die Marskamera HiRISE (High Resolution Imaging Science Experiment) auf dem Mars Reconnaissance Orbiter der NASA seit 2006 hochaufgelöste Bilder (im Gegensatz zur HRSC allerdings nicht in 3D und nicht in deren großen Flächenabdeckung) auf. Ein besonders beeindruckendes Bild steiler, geschichteter Abhänge nahe dem Nordpol ist diese Szene mit abgerutschten Felsblöcken vom Mai 2014.

Bildverarbeitung

Die Bilder wurden von der HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 14. April 2023 während des Mars Express Orbits 24354 aufgenommen. Die Bildauflösung beträgt etwa 21 Meter pro Pixel. Die Bildmitte liegt bei etwa 231 Grad östlicher Länge und 84 Grad nördlicher Breite.

Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das 3-D-Bild (Anaglyphenbild), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.

Quelle: https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2024/olympia-planum-zwischen-duenen-und-steilwaenden-aus-eis