28.04.2022 - Allgemein, Raumfahrt

Tan­ta­lus Fossae – ein Blick in die vul­ka­ni­sche Ver­gan­gen­heit des Mars

Diese Bilder der Marskamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) zeigen einen Teil des großen Grabensystems Tantalus Fossae auf der Nordhalbkugel des Roten Planeten. Es liegt östlich des vier Kilometer hohen Vulkans Alba Patera und lässt die gewaltigen Kräfte erahnen, die durch lokale und regionale Spannungsfelder von unten auf die Marskruste einwirkten und zu vulkanischer und tektonischer Aktivität führten. Die High Resolution Stereo Camera (HRSC), die seit 2004 an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express den Planeten kartiert, wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Ihre Daten sind eine wichtige Ressource für die gegenwärtige und zukünftige Marsforschung.


Bild: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Die Tantalus Fossae (Lat. für „Gräben des Tantalos“) sind ein gigantisches Netz aus Grabenbrüchen, die den Vulkan Alba Patera umgeben. Sie erstrecken sich über 1000 Kilometer weit in nord-südlicher Richtung und sind zwischen zwei bis zehn Kilometer breit und bis zu 350 Meter tief. Sie entstanden sehr wahrscheinlich durch Spannungen in der Marskruste, die von der Aufwölbung des Vulkans Alba Patera erzeugt wurden, der wie ein gigantisches Schild aus seiner Umgebung herausragt. Auch die bis zu zehn Kilometer hohe Tharsis-Aufwölbung im Süden dieses Gebiets, eine 4000 Kilometer große "Beule" in der Marskruste mit den größten Marsvulkanen, könnte bei der Entstehung dieser Strukturen eine Rolle gespielt haben. Durch die Dehnung der Kruste, wenn sich ein Vulkan aufwölbt, sacken große Geländeblöcke in die entstandenen Zwischenräume ab und bilden tektonische Gräben.

Die Grabenstrukturen, die auf diesen HRSC-Bildern zu sehen sind, verlaufen grob aus südlicher in nordöstliche Richtung entlang der Nordostflanke der vulkanischen Aufwölbung. Diese Strukturen entstanden aber nicht alle gleichzeitig. Der große Einschlagskrater in der Mitte des Bildes zum Beispiel wird von einigen Gräben durchtrennt. Das bedeutet, dass es ihn bereits gab, bevor die Aufwölbung des Vulkangebäudes beendet war, was zur Entstehung von Gräben auch innerhalb des Kraters führte. Nahezu alle kleineren Krater scheinen die Gräben zu überlagern, was auf einen späteren Einschlagszeitpunkt, nach der tektonischen Aktivität, hindeutet. Einige davon sind mit Material verfüllt, höchstwahrscheinlich mit Lava, wodurch sie sehr flach sind und nicht mehr das schüsselförmige Profil haben, wie es für relativ junge Krater typisch ist. Aus solchen Beobachtungen können Geologen die zeitliche Abfolge der Ereignisse rekonstruieren, die diese Landschaft haben entstehen lassen.

Bei genauerem Hinsehen, vor allem im Süden (links in Bild 1), sind zahlreiche, baumartig verzweigte Flusstäler zu sehen, die viele der Gräben kreuzen. Sie müssen älter sein als die Gräben, da sie nicht von den Brüchen umgeleitet wurden, sondern direkt durch sie hindurch zu führen scheinen. Das Gebiet im nördlichen (rechten) Teil des Bildes liegt viel tiefer als der südliche Teil, gut zu erkennen auf der topographischen Übersichtskarte (Bild 6). Deshalb müssten diese Täler eigentlich entlang dieses Gefälles verlaufen, also von Süd nach Nord und nicht, wie hier, von West (oben) nach Ost (unten). Das ist hier aber nicht der Fall, was ein Beleg dafür ist, dass diese Täler früher entstanden sind, bevor es zur Auswölbung des Vulkangebäudes im Süden vor etwa 3,5 Milliarden Jahren kam. Dieser Rückschluss passt auch zum Typ der Talverzweigung, der auf Oberflächenabfluss hindeutet, wie er für die Frühzeit des Mars typisch war.
König Tantalos: Namensgeber für eine „gequälte“ Landschaft

Das Gebiet wurde nach König Tantalus benannt, Sohn des Göttervaters Zeus und der Titanen-Tochter Pluto in der griechischen Mythologie. Als er versuchte, die Allwissenheit der Götter auf die Probe zu stellen, indem er ihnen seinen jüngsten Sohn als Mahl servierte, wurde er von ihnen in den Tartaros, die tiefste Region des Hades, verbannt. Dort musste er ewige Qualen leiden, die sprichwörtlichen „Tantalosqualen“. Er stand in einem Teich mit Wasser, das aber immer versickerte, sobald er davon trinken wollte. Ebenso umgaben ihn Obstbäume mit Früchten. Griff er nach ihren Ästen, wurden sie vom Wind außer Reichweite geweht. So litt er ewig Durst und Hunger. Sein getöteter Sohn wurde von den Göttern aber wieder zum Leben erweckt.

Bildverarbeitung

Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 19. Juli 2021 während des Orbits 22.173 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 18 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 257 Grad östlicher Länge und 43 Grad nördlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Geländemodell-Daten, sowie den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). Die HRSC wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit der deutschen Industrie entwickelt und wird von dort betrieben. Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.

Das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (Airbus, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen.

Quelle: https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2022/02/20220428_tantalos-fossae-ein-blick-in-die-vulkanische-vergangenheit-des-mars.html