11.05.2023 - Allgemein, Raumfahrt

Mission Mars Express – Lavakanäle an Südflanke von Ascraeus Mons

Bilddaten, die im Januar 2023 von der hochauflösenden Stereokamera (HRSC) an Bord der ESA-Mission Mars Express aufgenommen wurden, zeigen einen Teil der Südflanke des Ascraeus Mons, des nördlichsten der drei riesigen Tharsis-Vulkane auf dem Mars. HRSC ist ein Kameraexperiment, das seit mehr als 19 Jahren vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird. Wie in kaum einer anderen Gegend auf dem Mars lässt sich in der Region Tharsis die intensive vulkanische Vergangenheit unseres äußeren Nachbarplaneten ablesen.


Bild: ESA/DLR/FU Berlin

Ascraeus Mons ist der nördlichste und höchste der drei Schildvulkane, die als Tharsis Montes bekannt sind. Diese erstrecken sich über tausend Kilometer entlang einer nordost-südwestlich ausgerichteten topographischen Erhebung, der etwa fünf Kilometer hohen Tharsis-Aufwölbung, die in etwa die Fläche des europäischen Kontinents besitzt. Inmitten dieser Aufwölbung ist mit einem Durchmesser von etwa 480 Kilometern und einer Höhe von 18 Kilometern der Ascraeus Mons gelegen, der zweithöchste Berg auf dem Mars – er wird nur noch vom riesigen, 24 Kilometer hohen Olympus Mons übertroffen, der sich nordwestlich dieses Vulkans befindet.

Eingestürzte Lavakanäle an den Abhängen des Vulkans

Ascraeus Mons ist heute nicht mehr aktiv. Er hat ein sehr flaches Profil mit einer durchschnittlichen Hangneigung von nur sieben Grad. Das Bild zeigt einen Teil der Südflanke des Vulkans. Der Höhenunterschied zwischen der linken Seite (Süden) und der rechten Seite (Norden) des Bildes beträgt etwa zehn Kilometer. Solche Höhenunterschiede kennen wir auf der Erde nur von den vier Kilometer hohen Schildvulkanen der Hawai'i-Inseln, die aus dem fünfeinhalb Kilometer tiefen Pazifischen Ozean herausragen. Die hier gezeigten ungewöhnlichen Geländeformen werden als Ascraeus Chasmata bezeichnet: ein riesiges Gebiet von mehr als 70 Kilometern Ausdehnung an der unteren Südflanke des Vulkans, geprägt von eingestürzten ehemaligen Lavakanälen.

Auf dem Bild sind zahlreiche Strukturen unterschiedlichen Alters und Ursprungs zu erkennen. Beginnend am rechten Bildrand, 60 Kilometer vom nordöstlich gelegenen Gipfel des Ascraeus Mons entfernt, sind zahlreiche erstarrte Lavaströme zu sehen (siehe kommentiertes Bild), die im farbkodierten Geländebild besser zu erkennen sind.

Kesselartige Strukturen, auch Grubenkraterketten genannt, sind etwas südlicher (Bildmitte) das dominierende Landschaftselement. Der Topographie folgende, bergab verlaufende kreisförmige Vertiefungen bilden Ketten von Einsturzkesseln, die sich zu länglichen Strukturen verbinden. So entstehen diese “Ketten“ von aneinander gereihten, mehrere hundert Meter tiefen Trögen.

Ungeklärtes Rätsel: Wie entstanden die Hohlräume am Ascraeus Mons?

Es besteht Einigkeit darüber, dass diese Strukturen durch Einsturz in einen unterirdischen Hohlraum entstanden sind. Es werden jedoch verschiedene Prozesse für den Ursprung dieser Hohlräume diskutiert. Sie reichen vom Eindringen steil nach oben gerichteter, plattenförmiger vulkanischer Intrusionen (in der englischen Fachterminologie „Dikes“genannt), über Hohlräume, die durch chemische Auflösungsvorgänge entstanden sind, wie wir sie in den Karstregionen der Erde kennen, bis hin zu einem kombinierten Ursprung aus vulkanischen und tektonischen Prozessen.

Am verbreitetsten ist die Interpretation, dass es sich bei diesen Strukturen um ehemalige „Lavaröhren“ handelt, die entstanden sind, als Lavaströme auf der Oberfläche über ältere, schon erstarrte Lavadecken flossen und an ihrer Oberseite schnell abkühlten. Die darin transportierte, dünnflüssige Lava floss jedoch weiter ab, der Lavastrom versiegte schließlich, und ein röhrenförmiger Hohlraum blieb zurück. Auch auf der Erde kennt man solche entleerte Lavaröhren, sie sind ein häufig beobachtetes Phänomen an Schildvulkanen mit flacher Hangneigung von nur wenigen Grad, ähnlich wie am Ascraeus Mons, und haben Durchmesser von mehreren Zehnermetern.

Gewundene, sich hangabwärts schlängelnde Rillen mit steilen Hängen und flachen Böden sind ein weiteres häufiges Oberflächenmerkmal an den Flanken von Vulkanen. Sie sind in der Regel kleiner als die Grubenstrukturen und beschreiben randlose, gewundene Kanäle. Durch sie ist wahrscheinlich, ausgehend von Einsturzstrukturen, kontinuierlich dünnflüssige Lava geflossen, die in einen mechanisch schwachen Untergrund diese schmalen Kanäle erodiert hat.

Die linke (südliche) Seite des Bildes wird von mehreren großen Klüften dominiert, die eine Länge von bis zu 40 Kilometern erreichen. Aus diesen Klüften entspringen verzweigte schmale Talnetze, ähnlich denen von Flusstälern. Hier sind stromlinienförmige Inseln und Terrassen entlang der Kanalwände zu erkennen. Dies deutet auf eine Entstehung durch Wasser – und nicht durch Lava – hin. Vermutlich haben sich Ablagerungen aus Eis und/oder Schnee an den Flanken des Vulkans angesammelt und wurden unter späteren vulkanischen Ablagerungen begraben. Sie wurden dann in einer späteren, aktiven Episode des Ascraeus Mons geschmolzen, flossen ab und erodierten die Täler in die Oberfläche.

Bildverarbeitung

Die Bilder wurden von der HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 15. Januar 2023 während Mars Express Orbits 24045 aufgenommen. Die Bodenauflösung beträgt etwa 16 Meter pro Pixel. Das Bild ist auf 254 Grad Ost und 9 Grad Nord zentriert. Das Farbbild wurde aus den Daten des Nadirkanals, des senkrecht zur Marsoberfläche ausgerichteten Sichtfelds, und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Die schräge perspektivische Ansicht wurde aus dem digitalen Geländemodell, dem Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot/Blau- oder Rot/Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die farbkodierte topografische Ansicht basiert auf einem digitalen Geländemodell (DGM) der Region, aus dem sich die Topografie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Marsäquipotentialfläche (Areoid).

HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird. Die systematische Auswertung der Kameradaten fand am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof statt. Die Arbeitsgruppe Planetenforschung und Fernerkundung der Freien Universität Berlin hat die Daten zu den hier gezeigten Bildprodukten verarbeitet.

Quelle: https://www.dlr.de/de/aktuelles/nachrichten/2023/02/mission-mars-express-lavakanaele-am-ascraeus-mons