08.06.2022 - Allgemein, Raumfahrt

Mars kun­ter­bunt – die Re­gi­on Ao­nia Ter­ra

Unser Nachbarplanet Mars ist nicht gerade bekannt für ein farbenprächtiges Erscheinungsbild – Orangebraun soweit das Auge reicht, oder vielmehr die Kameras der Rover und Raumsonden. Doch es gibt auch Landschaften, die für marsianische Verhältnisse regelrecht bunt sind. Wie zum Beispiel diese, auf den aktuellen Bildern der DLR-Marskamera festgehaltene Gegend. Sie befindet sich in der südlichen Hochlandregion Aonia Terra und zeigt verschiedene Färbungen - von Schwarz über Grau bis zu Rot, Beige und fast Weiß. Die unterschiedlichen Farben des Oberflächenmaterials lassen auch auf unterschiedliche mineralogische Zusammensetzungen schließen, die hier eben sehr vielfältig ist.


Bild: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Die High Resolution Stereo Camera (HRSC), die seit 2004 an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express den Planeten kartiert, wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Ihre Daten sind eine wichtige Ressource für die gegenwärtige und zukünftige Marsforschung.

Aonia Terra liegt im südlichen Hochland des Mars unweit des Polarkreises und ist bekannt für seine Vielzahl an Kratern – wie der 200 Kilometer große Krater Lowell (zu sehen auf der Übersichtskarte, Bild Nr.3). Das südliche Hochland gehört zu den ältesten Formationen und wurde vor 3,8 bis 3,5 Milliarden Jahren, in der sogenannten Noachischen Periode, gebildet. Über eine statistische Analyse der verschiedenen Kratergrößen sowie deren Häufigkeiten lässt sich das Alter einer planetaren Oberfläche ermitteln. Je älter eine Region ist, desto mehr Krater, und auch desto mehr große Krater gibt es dort. Mittels dieser Methode konnten drei verschiedene Perioden der Marsgeschichte bestimmt werden: das Noachium (von vor 4,1 bis 3,7 Milliarden Jahren), das Hesperium (von vor 3,7 bis 3,3 Milliarden Jahren) und das Amazonium von vor 3,3 Milliarden Jahren bis heute.

Regen und Grundwasser schufen vor langer Zeit zahlreiche Täler

Der namenlose Krater in der Bildmitte hat einen Durchmesser von 30 Kilometern und liegt inmitten eines Netzwerks von kanalartigen Tälern. Diese Täler wurden sehr wahrscheinlich durch ein Zusammenspiel aus Abfluss von Regenwasser auf der Oberfläche und austretendem Grundwasser ausgeschürft, schätzungsweise im späten Noachium bis zum frühen Hesperium.

 Interessanterweise ist am Boden einiger dieser Täler dunkles Material zu finden. An manchen Stellen ist das Relief der Täler dadurch sogar umgekehrt: Durch die Verfüllung überragen die Talböden die sie umgebende Landschaft. So etwas tritt auf, wenn das Material, das die Täler aufgefüllt hat, schwerer durch Erosion abgetragen werden kann als die Landschaft, die die Täler umgibt. Das Material kann zum Beispiel durch den Einfluss von Wasser über die Zeit kompakter und resistenter geworden sein („geochemische Zementierung“), oder es besteht aus erosionsfesten, oft grobkörnigen Sedimenten. Es kann aber auch sein, dass in diese Täler nachträglich Lava geflossen ist.

Die Oberfläche rund um den Einschlagskrater besteht aus verschiedenen Materialien. Südlich des Kraters (links auf Bild 1) ist die Oberfläche in einem warmen Rotton gefärbt, der, je näher man dem Krater kommt, ins Dunkelbraune und Graue übergeht. In dieser Region sind viele kleine Kuppen zu finden. Blickt man weiter Richtung Norden, erscheint die Oberfläche eher geglättet, was an den Kraterrändern und weiter nördlich gut sichtbar wird. Hier wechselt die Farbe der Landschaft in einen helleren Ton, und die Ränder der Kanäle erscheinen weniger definiert. Schließlich, auf der äußeren rechten Seite des Bildes, sieht die Oberfläche viel glatter aus. Die verschiedenen Farben zeigen, dass die Mineralogie der Oberfläche sehr vielfältig ist.

 Schwarze Dünen wie auf Hawaii

Im Inneren des Einschlagskraters lässt sich ein schwarzes Dünenfeld ausmachen, das aus kleinen, teils zusammengewachsenen Sicheldünen besteht. Es ist 5,4 mal 2,7 Kilometer groß und liegt auf einer hellen Ablagerung, die höchstwahrscheinlich durch Verwitterung in Verbindung mit Wasser entstanden ist. Die schwarzen Sande sind vulkanischen Ursprungs, da sie aus Mineralen bestehen, die nur durch Vulkanismus an die Marsoberfläche gebracht worden sein konnten. Ihre Zusammensetzung ähnelt auch sehr stark derer von vulkanischer Asche auf der Erde. Diese Dünen werden aufgrund ihrer Zusammensetzung aus vulkanischen Mineralen auch „basaltische Dünen“ genannt und sind vielerorts auf dem Mars zu finden. Basalte sind das häufigste vulkanische Gestein auf dem Mars. Auf der Erde findet man solche dunklen Dünen eher sehr selten, beispielsweise auf Hawaii. Sie existieren nur dort, wo Vulkanismus in einem trockenen Klima stattfindet.

Bei genauerem Hinsehen entdeckt man auch hier viele kleine Hügel und Erhebungen abseits des Dünenfeldes auf dem Kraterboden, die wie Höcker in der Landschaft stehen. Das zeigt, dass auch das Kraterinnere aus vielen unterschiedlichen Materialien besteht, die hier zusammengekommen sind. Messungen des THEMIS-Spektrometers an Bord der NASA-Raumsonde Mars Odyssey belegen eine sehr hohe thermische Trägheit der hellen Ablagerungen und eine sehr geringe thermische Trägheit des restlichen Materials im Kraterboden. Thermische Trägheit ist ein Maß für die Verfestigung eines Materials, wobei eine hohe thermische Trägheit auf Festgestein und eine niedrige auf Lockermaterial hindeutet. Diese unterschiedlichen Eigenschaften bestätigen die großen Unterschiede in der Zusammensetzung der Kraterfüllung.

 Bildverarbeitung

Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 25. April 2022 während des 23.137sten Orbits (Umlaufs) der Raumsonde Mars Express um den Mars. Die Bildauflösung beträgt 14 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 282 Grad östlicher Länge und 48 Grad südlicher Breite. Die Farbaufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivischen Schrägansichten (Bilder 2, 4) wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 5), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht (Bild 6) beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid). Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
Das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.

Quelle: https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2022/02/20220608_mars-kunterbunt-die-region-aonia-terra.html