20.07.2022 - Allgemein, Luftfahrt

Kon­dens­strei­fen der Zu­kunft auf der Spur

Kondensstreifen entstehen als Folge von Flugzeug-Emissionen. Sie können als langlebige Eiswolken den Treibhauseffekt verstärken. Die Rußpartikel aus der Kerosinverbrennung wirken in der kalten Atmosphäre als besonders starke Kondensationskeime für die Wolkenbildung. Neue Triebwerkstechnologien und der Einsatz von nachhaltigen Treibstoffen (SAF) bieten vielversprechende Ansätze, um die Klimawirkung von Kondensstreifen signifikant zu reduzieren. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt dazu ein Airbus-Testflugprogramm, geführt von der Tochtergesellschaft Airbus UpNext, das erstmals Kondensstreifen untersucht, die von einem CO2-emissionsfreien Flugzeug mit Wasserstoff-Antrieb erzeugt werden. Im Rahmen des Projekts „Blue Condor“ sind Ende des Jahres 2022 und 2023 Testflüge in North Dakota, USA geplant.


Bild: AV Expert

 

Triebwerke im Vergleich

Für die Flugversuche kommen zwei Arcus-Segelflugzeuge, betrieben vom Perlan Projekt, zum Einsatz. Ein Segelflugzeug ist ausgestattet mit einem Wasserstoff-Jettriebwerk und das andere mit einem herkömmlichen kerosinbetriebenen Verbrennungsmotor. Um die Vergleichbarkeit der Daten zu gewährleisten, werden die Testflüge unmittelbar nacheinander unter denselben meteorologischen Bedingungen durchgeführt.

Das jeweilige Segelflugzeug wird von einer EGRETT, einem Höhenforschungsflugzeug, auf über neun Kilometer Höhe geschleppt. Dort zündet das Segelflugzeug sein zusätzliches Triebwerk. Die mit Messinstrumenten ausgestattete EGRETT übernimmt dann die Verfolgerrolle und durchfliegt den Kondensstreifen in enger Formation. Zusätzlich werden Emissionen des Abgasstrahls vermessen.

Ziel ist es die mikrophysikalischen Eigenschaften von „Wasserstoff-Kondensstreifen“ in der Atmosphäre erstmals zu messen. Die Daten helfen, die Bildung der Kondensstreifen aus Wasserstoff-Antrieben besser zu verstehen. So können Technologien entwickelt werden, die die Eigenschaften der klimawirksamen Wolken verändern und ihren Effekt weiter mindern. Airbus stellt das Wasserstoffsystem und Equipment, einschließlich des Verbrennungsmotors bereit und plant gemeinsam mit dem DLR die Flüge der Testmission. Für die Messungen und Datenanalyse ist das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre verantwortlich.

Luftfahrt der Zukunft revolutionieren

„Das DLR ist weltweit führend bei der Erforschung von Flugzeug-Emissionen. Um einen klimaneutralen Luftverkehr zu erreichen, müssen Forschungsergebnisse direkt in die Entwicklung neuer Produkte einfließen. Wir freuen uns, dass wir Airbus und sein Tochterunternehmen mit diesem Technologietransfer unterstützen können“, sagt Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt. Sandra Bour Schaeffer, CEO von Airbus UpNext ergänzt: „Die Luftfahrtindustrie setzt sich bereits intensiv dafür ein, alle durch den Luftverkehr verursachten Emissionen bis 2050 zu verringern, und wir sind stolz darauf, bei diesem nächsten wichtigen Schritt internationale Experten an unserer Seite zu wissen.“

Wasserstoff-Triebwerke stoßen überwiegend Wasserdampf und Stickoxide aus. Modelle zeigen, dass die Kondensstreifen daraus eine wesentlich geringere Klimawirkung haben könnten. Bei der Wasserstoffdirektverbrennung entstehen keine Partikel. Die Experten vermuten daher, dass die sich bildenden Eispartikel tendenziell größer sind und in geringerer Anzahl auftreten als bei Ruß-Emissionen. Sie regnen dadurch schneller aus, sodass die Kondensstreifen kurzlebig sind und nur noch geringfügig zur Erderwärmung beitragen. Konkrete Messdaten zu diesen komplexen Atmosphärenprozessen fehlen der Wissenschaft jedoch bisher.

Wenn sich die Modellannahmen bestätigen, könnte die Wasserstoff-Verbrennung die Luftfahrt der Zukunft revolutioneren. Genau hierfür sind Messungen in Reiseflughöhen nötig. Denn es ist nicht klar, ob die Modelle alle relevanten Prozesse abdecken. Auch aufgrund ihrer Zero-CO2-Emissionen bietet die Wasserstoff-Verbrennung signifikante Minderungspotenziale. Nur der erhöhte Ausstoß von Wasserdampf in die Stratosphäre könnte der vermindernden Klimawirkung dieser Kondensstreifen entgegenwirken und muss bei den Analysen berücksichtigt werden. Die Blue Condor-Messflüge werden erstmals eine Datengrundlage für belastbare Aussagen zu den Kondensstreifen schaffen.

Die Atmosphärenforscherinnen und -forscher aus Oberpfaffenhofen setzen dafür bewährte sowie eigens für die Mission entwickelte Instrumente ein. Insbesondere Wasserdampf und Eispartikel sowie Stickoxide und Aerosole sollen im Flug erfasst werden. Die DLR-Projektgruppe H2CONTRAIL leitet das Projekt DLR-seitig und ergänzt die Messungen mit gezielten Simulationen zur Untersuchung der Klimawirkung von Kondensstreifen aus Wasserstoff-Antrieben.

Forschung und Industrie vereint

Die Zusammenarbeit der Forschungs- und Industriepartner geht weit über das Blue Condor-Projekt hinaus. Airbus, DLR und die weiteren Akteure sind in mehreren Demonstrationsprogrammen aktiv, darunter ECLIF2, ECLIF3 (Emission and Climate Impact of Alternative Fuels) und VOLCAN (VOL avec Carburants Alternatifs Nouveaux). Gemeinsames Ziel ist es, genauere Kenntnisse über den Klimavorteil von Kondensstreifen zu gewinnen, die durch nachhaltige Treibstoffe und moderne Triebwerkstechnologien entstehen. Das Blue Condor-Projekt dient als Ergänzung dieser Programme. Das DLR unterstützt damit auch die Bemühungen von Airbus, bis 2035 ein emissionsfreies Flugzeug zu entwickeln. Dies ist im Sinne der Luftfahrtstrategie, die das DLR im Dezember 2021 zum European Green Deal gesetzt hat: „Auf dem Weg zu einer emissionsfreien Luftfahrt“.

 

Quelle: https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2022/03/20220720_kondensstreifen-der-zukunft-auf-der-spur.html