06.07.2022 - Allgemein, Raumfahrt

IN­NOspace Mas­ters 2021/22 – zu­kunfts­wei­sen­de Ide­en für die Raum­fahrt von mor­gen

Am 5. Juli 2022 wurden die Gewinner des diesjährigen INNOspace-Masters-Wettbewerbs im Rahmen einer Konferenz in Berlin von Dr. Peter Gräf, Direktor Anwendungen und Wissenschaft in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, und Dr. Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, gekürt. Unter dem Motto „Nachhaltige und effiziente Innovationen für Weltraum und Erde“ wurden neue Ideen und Konzepte gesucht, die aktuelle Herausforderungen in der Raumfahrt und anderen Sektoren aufgreifen und innovative Lösungen anbieten. Die Teilnehmer konnten aus fünf Wettbewerbskategorien - den „Challenges“ - wählen, die unterschiedliche Entwicklungs- und Innovationsphasen entlang der gesamten Innovationskette abdecken. Dementsprechend gab es einen Gesamtsieger und fünf weitere Gewinner – je einen pro Wettbewerbskategorie.


Bild: DLR. Alle Rechte vorbehalten

Eine innovative Technologie zur Abschirmung von elektromagnetischer Strahlung gewinnt den Wettbewerb

Insgesamt haben 337 Teilnehmer aus Unternehmen, Start-ups, Universitäten und Forschungseinrichtungen in 28 Ländern ihre Projektskizzen eingereicht. „Die Rekordzahl der eingegangenen, innovativen Projektvorschläge für die siebte Runde des INNOspace Masters zeigt, dass das Potenzial des Transfers von Wissen und Technologie zwischen der Raumfahrt und anderen terrestrischen Sektoren enorm ist“, erklärte Dr. Anna Christmann. Aus den 153 eingereichten Ideen wurden 15 Vorschläge für die Endrunde des Innovationswettbewerbs ausgewählt. Nun stehen die Gewinner des Wettbewerbs fest. „Die Anwendung von ultraleichten Materialien zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung hat uns in diesem Jahr besonders beeindruckt. Die Projektidee „AeroMulE“ zeigt großes Potenzial – auch für terrestrische Anwendungen“, so Dr. Anna Christmann über den Gesamtsieger des INNOspace Masters 2021/22.

Große Vielfalt an Ideen beim INNOspace Masters Innovationswettbewerb

75 Prozent der eingereichten Ideen kamen aus einer Vielzahl von Industriezweigen, unter anderem aus den Bereichen erneuerbare Energien, der Automobilindustrie und dem Informations- und Kommunikationssektor. Dr. Peter Gräf freute sich besonders über diese große Bandbreite: „Die Vielfalt der Branchen, aus denen die Projektvorschläge stammen, zeigt, dass die Raumfahrtindustrie eine Vielzahl von modernsten Technologien und Konzepten vereinigt. Sowohl mit Spin-In- als auch Spin-Off-Projekten initiiert der INNOspace Masters erfolgreich Innovationen. Das verdeutlicht eindrucksvoll die Bedeutung der deutschen Raumfahrtbranche als Innovationsmotor.“

Die Siegerideen des INNOspace Masters 2021/22

Gesamtsieger: AeroMulE - Aerostructure Multifunctional Cover Against Environmental Radiation

Ein Team von Wissenschaftlern des Instituts für Luft- und Raumfahrttechnik der TU Dresden und des Instituts für Werkstoffkunde der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel konnte sich den Gesamtsieg sichern. Die beiden Universitäten arbeiteten gemeinsam an innovativen Materialien, die Kommunikationsgeräte vor unerwünschten Signalen und Störeinflüssen abschirmen und so die Kommunikationssicherheit erhöhen sollen. Die ultraleichte Hülle auf Basis von Kohlenstoff-Nanoröhren soll im Bereich der drahtlosen Kommunikation, wie beispielsweise in Satelliten und Satellitenkonstellationen, bei IoT-Geräten oder für Technologien aus dem Bereich autonomes Fahren zum Einsatz kommen. Gleichzeitig ermöglicht die Technologie eine erhebliche Reduzierung des Gewichts und der Designkomplexität.

1. Platz DLR Challenge: PFDS - Pre-Ignition Fire Detection System
Ein neuartiges Konzept zur Erkennung von Bränden in Raumstationen und Habitaten wurde als Sieger der „DLR Challenge“ geehrt. Die Lösung nutzt ein Netzwerk von Sensoren und stützt sich auf maschinelles Lernen, um Brandherde noch vor der Entzündung zu entdecken. Die von einem Forscherteam unter Leitung des Zentrums für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen entwickelte Idee bietet eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen partikelbasierten Rauchmeldern, die sich unter Mikrogravitationsbedingungen als unzuverlässig erwiesen haben. Stattdessen können die Sensoren feinste thermische Ausgasungen aus Polymeren erkennen, die häufig für die elektrische oder thermische Isolation typischer Zündquellen (wie elektrische Leiter, Batterien, heiße Flüssigkeitsleitungen) verwendet werden. Auf diese Weise können Brände aufgespürt werden, noch bevor sie entflammen. So können Menschenleben geschützt und materielle Verluste vermieden werden - sowohl im Weltraum als auch auf der Erde.

1. Platz ESA BIC Challenge: HERA - Integration eines aktiven und passiven Wärmemanagementsystems für Elektroauto-Batterien in eine tragende Struktur
Der Gewinner der „ESA BIC Challenge“, HERA, entwickelt ein Wärmemanagementsystem zur Pufferung von Lastspitzen durch Latentwärmespeicherung in passiven Komponenten. Die vorgeschlagene Lösung wurde auf der Basis von Phasenwechselmaterialien (PCM) entwickelt. Forscher des Instituts für Strukturmechanik und Leichtbau (SLA) der RWTH Aachen haben dazu eine neuartige Struktur entwickelt, die eine effektive Speicherung der in der Batterie erzeugten Wärme im PCM mit einem maßgeschneiderten aktiven Kühlsystem koppelt. Die Struktur basiert auf Forschung zu Triply-Periodic-Minimal-Surface-Strukturen (TPMS), die auch eine effiziente massenspezifische mechanische Lastaufnahme ermöglicht.

1. Platz Airbus Challenge: Graphen-Spiegel für leichte optische Systeme
Spiegel für die Luft- und Raumfahrt müssen während ihres gesamten Lebenszyklus unter extremen Bedingungen funktionieren. Das hat jedoch seinen Preis: Die Komponenten werden relativ schwer. Reflektierende Folien wären eine Alternative zu sperrigen Spiegeln, sind aber zerbrechlich und haben raue Oberflächen. SCALE Nanotech, der Gewinner der „Airbus Challenge“, bietet eine Graphen-Mikromembrantechnologie als Lösung an: G-Mirror©, ein ultraleichter Nanofilm, der die überragenden mechanischen, optischen und thermischen Eigenschaften des Graphenmaterials nutzt und gleichzeitig eine kostengünstige Skalierung für große und flexible Formen (flach oder gebogen) ermöglicht. Die geringen Massen von Graphen reduzieren die Kosten für die Nutzlast, während die Vielseitigkeit von Graphen maßgeschneiderte Lösungen für die spezifischen Anwendungen für Kunden ermöglicht.

1. Platz OHB Challenge: AVES Reality - Semantische Rekonstruktion des digitalen 3D-Zwillings
Die heutigen virtuellen Welten können die wichtigsten Anforderungen der Industrie nicht erfüllen. Um zum Beispiel ein autonomes Fahrzeug zu simulieren, sind die derzeitigen virtuellen Welten in Bezug auf Qualität, Umfang, Preis und Flexibilität nicht ausreichend. Google Earth kann beispielsweise nicht für die Simulation verwendet werden, da die reale Welt lediglich visuell abgebildet wird, sich aber nicht wie die reale Welt verhält. Mithilfe einer auf Künstlicher Intelligenz basierenden Lösung, die jeden Ort auf der Erde über Satellitenbilder erfasst und entsprechend schnell digital konstruiert, erstellt AVES Reality eine virtuelle Kopie der Erde - bereit für industrielle Simulationen, Videospiele und mehr. So wird die Welt aus dem Weltraum betrachtet, anstatt jeden Ort auf der Erde zu terrestrisch zu erfassen und abzubilden.

1. Platz Mercedes-Benz Challenge: Satelliten-Mobiltelefonverbindungen überall auf der Welt
Der Gewinner des Mercedes-Benz „car2space Challenge“, Lynk Global Inc., bietet eine innovative globale Kommunikationslösung an, die den traditionellen Mobilfunkmast auf kleine Satelliten im erdnahen Orbit verlagert. So wird eine flächendeckende und globale Mobilfunkabdeckung für Milliarden von Menschen ermöglicht. Dies erhöht die Widerstandsfähigkeit von Mobilfunknetzen und lindert die „digitale Armut“ in abgelegenen oder weit verstreuten Gemeinden. Die Konstellation von Lynk bietet direkte Konnektivität zu 3GPP-Standard-Mobilfunkgeräten am Boden, einschließlich Mobiltelefonen und IoT-Geräten. Den Konzeptnachweis ihrer Technologie hat Lynk Global bereits 2021 unter Beweis gestellt, indem Tausende von Mobilfunkgeräte in fünf Ländern mit dem fünften Lynk-Satelliten, Shannon, verbunden wurden.

Quelle: https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2022/03/20220706_innospace_masters_2021_22.html