Einzigartige Anlage für Flug- und Fahrsimulationen: Dynamic Motion Simulator Center
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat am 6. November 2024 das Dynamic Motion Simulation Center (DMSC) am Standort Oberpfaffenofen eröffnet. Die weltweit einzigartige Anlage ermöglicht hochdynamische und somit sehr realistische Flug- und Fahrsimulationen.
Das DMSC besteht aus drei Bewegungssimulatoren mit unterschiedlichen, austauschbaren Cockpits. Die Simulatoren können einzeln oder auch gleichzeitig und miteinander gekoppelt betrieben werden. Die neue Forschungsplattform unterstützt vielfältige Anwendungsbereiche: Diese reichen von der Pilotenausbildung über Entwicklungen von Mixed Reality-Technologien oder Regelungstechnik, bis hin zu Studien des Menschlichen Faktors, wie etwa zur Flugkrankheit oder Reaktionsfähigkeit des Menschen. Zudem und ist das DMSC offen für Kooperationen mit Industrie und Forschung. Die Besonderheit des DMSC ist, dass zwei der Simulatoren auf Industrieroboter-Armen basieren. Sie bieten in der Rotation einen deutlich größeren Arbeitsraum und mehr Flexibilität als klassische Simulatoren. Davon profitieren vor allem Simulationen für kleine agile Systeme wie Kleinflugzeuge, Lufttaxis oder Helikopter. Beim dritten Simulator handelt es sich um einen Hexapod – eine bewegliche Plattform, die auf sechs Antriebselementen fußt und besonders belastbar ist.
Simulationen für Technologie und Mensch
Der „Robotic Motion Simulator“ ermöglicht extreme Neigewinkel und dadurch sehr realistische Manöver. Piloten und Entwickler können gefahrlos Flüge in Überkopflage testen. Der Simulator ist außerdem mit einer weltweit einmaligen Schleifring-Konfiguration ausgestattet, die endlose Rotationen um die Längs- und Vertikalachse ermöglicht. Die Technologien für den robotischen Bewegungssimulator werden seit rund 20 Jahren am DLR entwickelt. Heute besteht das System aus einem Industrieroboter-Arm, an dessen Ende eine Cockpit-Gondel platziert ist. Er bewegt sich auf einer zehn Meter langen Schiene, sodass die dynamischen Fahrten wirklich spürbar werden. ESA-Astronaut Roberto Vittori konnte dadurch bereits verschiedene Mondlandemanöver im Robotic Motion Simulator erproben.
Der Mensch selbst ist eine weiterer „Faktor“, der mithilfe der Simulationen untersucht werden kann. Forschende können zum Beispiel der Frage nachgehen, wie bestimmte Flug- oder Fahrbewegungen auf den menschlichen Körper einwirken: Wie gut passt sich das Gehirn an die Kraftregelung und die Mechanik der Bedienelemente an, wie schnell sind die Reaktionszeiten in Stresssituationen, oder wie kann die Luftkrankheit bei Flugzeugführenden frühzeitig erkannt und behandelt werden?
Mixed Reality im Cockpit
Im Dynamic Motion Simulator Center kommt nun der „Personal Air Vehicle Simulator“ (PAVSIM) hinzu. Er basiert ebenfalls auf einem Industrieroboter-Arm, kann jedoch mit einem zweisitzigen Cockpit ausgestattet werden und ist ideal für die Entwicklung von senkrechtstartenden Flugkörpern wie Lufttaxis oder Helikoptern. Für Letzteres wird das DLR-Institut für Flugsystemtechnik hier neue Konzepte entwickeln. Der PAVSIM eignet sich aber auch, um Mixed-Reality-Technologien zu testen und zu entwickeln. Denn während die Pilotinnen und Piloten die Bewegungen des Simulators steuern und spüren, sehen sie die Umgebung ihres „Fluges“ virtuell über eine VR-Brille. Um vollkommen in die künstliche Umgebung einzutauchen, werden die Echtzeit-Visualisierungen zusätzlich in die Cockpit-Fenster eingespielt. Je nach Anwendung sind die Cockpits außerdem flexibel umrüstbar.
Das gesamte Technologien-Set der Simulatoren ist eine vom DLR entwickelte Lösung. Dazu gehört das Fahr- und Flugdynamikmodell, die Simulator-Bahnplanung, Visualisierungen, Szenerie-Aufbereitung, Cockpit-Design und Middleware. Kundensoftware kann dabei über definierte, offene Schnittstellen eingebunden werden. Das gilt auch für das dritte System des Dynamic Motion Simulator Centers – einen hochdynamischen Hexapod.
Kontrollierter Schleudergang
Mit einem Arbeitsraum von rund einem Kubikmeter ist der „Dynamic Motion Simulator“ (DynSim) sehr kompakt. Er ist für besonders schnelle und kräftige Rotationen ausgelegt. Objekte wie Tankbehälter können darauf befestigt werden und über die zusätzlichen Längs- und Vertikalachsen in einer Endlosschleife gedreht werden. So lassen sich zum Beispiel die Bewegung der Tankflüssigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesamtdynamik von Fluggeräten und Fahrzeugen nachvollziehen.
Für solche hochdynamischen Anwendungen hat das Entwicklungsteam die übliche Hexapod-Konstruktion erweitert: Statt den üblichen sechs besitzt der DynSim nun acht Antriebsachsen. Die Plattform für die Testobjekte ist auch nicht fest, sondern kann sich mit bis zu 50 Umdrehungen pro Minute drehen. Zusätzlich ist auf der drehbaren Plattform ein Ausleger montiert, der Cockpits oder Equipment mit bis zu 100 Umdrehungen pro Minute um die Rollachse rotieren kann. Damit kann der Simulator bis zu 700 Kilogramm schwere Objekte in alle Richtungen kontrolliert schleudern oder komplexe Simulationsbewegungen durchführen.
Offen für Kooperationen
Die Eröffnungszeremonie des Dynamic Motion Simulator Center mit Gästen aus Industrie und Forschung wurde geleitet von Dr. Markus Fischer, DLR-Bereichsvorstand Luftfahrt, Dr. Anke Pagels-Kerp, DLR-Bereichsvorständin Raumfahrt sowie Prof. Martin Otter, kommissarischer Direktor des DLR-Instituts für Systemdynamik und Regelungstechnik. Von den Fähigkeiten und Nutzerorientierung der neuen Anlage konnten sich die Gäste anschließend selbst überzeugen. Ein Vortragsprogramm zu den aktuellen Forschungsarbeiten im Dynamic Motion Simulator Center und eine Besichtigung des DLR-Flugbetriebs rundeten die Feierlichkeiten in Oberpfaffenhofen ab. Das DMSC steht nun internen wie auch externen Projekten zur Verfügung.