12.07.2022 - Allgemein, Raumfahrt

DLR wird Staub vom Aste­ro­iden Ryu­gu un­ter­su­chen

Zwischen Juni 2018 und November 2019 untersuchte die japanische Raumsonde Hayabusa 2 den knapp einen Kilometer großen Asteroiden Ryugu aus nächster Nähe. Die Sonde hatte zweimal Kontakt mit Ryugu und sammelte dabei Proben der Asteroidenoberfläche.


Bild: JAXA

„Hayabusa 2 war beziehungsweise ist eine der komplexesten Missionen in der Geschichte der Erforschung der Körper des Sonnensystems“, betont Dr. Anke Pagels-Kerp, Bereichsvorständin Raumfahrt des DLR, „Neben der Probennahme wurden mehrere außergewöhnliche, erstmals angewandte Experimente am und auf dem Asteroiden Ryugu durchgeführt. Die Untersuchung der Proben von Ryugu ist auch eine Anerkennung der Kompetenzen des DLR auf dem Gebiet der Planetenforschung.“

Anschließend machte sich Hayabusa 2 auf den Weg zurück zur Erde und trennte am 5. Dezember 2020 die Probenkapsel in 220.000 Kilometer Entfernung zur Erde von der Sonde ab. Die Kapsel drang in die Erdatmosphäre ein, bremste durch Luftreibung stark ab und schwebte am Ende des Manövers mit der wertvollen kosmischen Fracht an einem Fallschirm zur Erde. Eine Suchmannschaft fand die unbeschädigte Kapsel im Zielgebiet in Zentralaustralien sofort. Etwa fünf Gramm von Ryugu werden seither in den japanischen Laboren katalogisiert und kuratiert. Nun bewilligte die japanische Weltraumorganisation JAXA einen Antrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf Untersuchung eines kleinen Teils der Proben.

„Mit der Untersuchung in unserem Planetenlabor wollen wir eine grundsätzliche methodische Frage bei der Interpretation von Probenmaterial und Fernerkundungsdaten beantworten“, erklärt Dr. Alessandro Maturilli vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. „Typischerweise zeigen die Reflexions-Lichtkurven von im Labor untersuchtem Analogmaterial planetarer Stoffe stets größere Kontraste als ‚echtes‘ extraterrestrisches Material. Wir müssen herausfinden, ob das an Unterschieden in der Zusammensetzung oder an anderen Materialeigenschaften liegt, oder an unterschiedlichen Messmethoden im Weltraum und auf der Erde.“ Die Beantwortung dieser Frage ist wichtig für die Auswertung von Fernerkundungs-Messungen an den verschiedenen Körpern im Sonnensystem, also Beobachtungen mit Raumsonden aus der Distanz.

Vergleich von Fernerkundungsdaten mit Labormessungen

Das Laborteam vergleicht dabei hyperspektrale Daten und spektrale Bilddaten, die von Hayabusa 2 aus unterschiedlichen Höhen über Grund und – direkt auf der Oberfläche – mit den beiden DLR-Experimenten MAScam und MARA im Landemodul MASCOT aufgenommen wurden, mit den neuen Labormessungen. Die Laboruntersuchungen werden mittels „bidirektionaler Reflexionsspektroskopie“ unter simulierten Bedingungen wie auf der Asteroidenoberfläche in den Wellenlängen des UV-Lichts über das sichtbare Licht bis ins nahe und ferne Infrarot durchgeführt. „Wir sind gespannt, ob wir bei den Proben von Ryugu wieder einen Kontrast sehen, oder ob die Unterschiede zwischen Fernerkundungsmessungen und dem untersuchten Probenmaterial verschwinden.“

Insgesamt hat die Mission Hayabusa 2 etwas mehr als fünf Gramm an Material – etwa einen Teelöffel Staub – zur Erde gebracht. Über das letzte Jahr wurden diesen Proben in Japan durch das 40 Personen umfassende Hayabusa 2 Preliminary Analysis Team untersucht und katalogisiert. An diesen vorläufigen Untersuchungen in Japan waren auch Dr. Enrica Bonato und Dr. Gabriele Arnold vom DLR beteiligt. Gleichzeitig konnte sich die weltweite wissenschaftliche Gemeinschaft für Laboruntersuchungen von Ryugu-Material bewerben. Dem Team am DLR-Institut für Planetenforschung wurde die Probe A0112 zugeteilt. „Das ist ein drei Millimeter großes Körnchen von Ryugu mit einem Gewicht von 5,1 Milligramm“, freut sich Enrica Bonato. „Es wird noch 2022 zu uns nach Berlin kommen. Wir werden es hier im Planetary Spectroscopy Laboratory (PSL) untersuchen. Anschließend wird die Probe von einem funktionsfähigen Kameramodell analysiert, wie es im Asteroiden-Landemoduls MASCOT auf dem Asteroiden eingesetzt wurde. Dann vergleichen wir die spektralen Verläufe aus dem Labor mit den Untersuchungen dieser MASCam.“ Auch das Berliner Museum für Naturkunde, mit dem das DLR-Institut für Planetenforschung eng kooperiert, wird die Probe „unter die Lupe“ nehmen und mit einem Raster-Elektronenmikroskop, einer Mikrosonde und Röntgenspektroskopie untersuchen.

Ergebnis wird spektrale Analyse anderer Himmelskörper verbessern

Mit den Messungen an den Ryugu-Proben werden Labor- und Fernerkundungsbeobachtungen besser miteinander verknüpft werden können. In einem nächsten Schritt können die Erkenntnisse nicht nur bei der Auswertung der Hayabusa-2-Beobachtungen zu besseren Ergebnissen führen, sondern auch bei allen Fernerkundungsbeobachtungen, bei denen Planetenoberflächen mittels Spektroskopie analysiert werden. Darauf baut auch die Untersuchung der mineralogischen Zusammensetzung und der organischen Substanzen der von Hayabusa 2 gesammelten Proben auf. „Wir hoffen, damit besser zu verstehen, wie sich Asteroiden, diese Urbausteine des Sonnensystems, gebildet haben. Auf Ryugu haben wir wertvolle Proben aus der frühesten Zeit des Sonnensystems gewonnen.“ Dr. Alessandro Maturilli erhofft sich davon auch Erkenntnisse über die Asteroidenforschung hinaus. „Das dürfte unseren Wissensstand über die Mineralogie des Staubes und der kohlenstoffhaltigen, organischen Substanzen in der protoplanetaren Scheibe, aus der sich vor 4,5 Milliarden Jahren die Planeten bildeten, erweitern.“

Möglicherweise ergeben sich auch Rückschlüsse, wie Wasser und Wassereis im Mutterkörper des Asteroiden Ryugu zu Veränderungen in der mineralogischen Zusammensetzung führten, indem Vergleiche mit Messungen von unveränderten kohlenstoffhaltigen Analog-Meteoriten aus der Klasse der Chondriten gezogen werden. Dabei werden die Spektraldaten durch Daten ergänzt, die mittels Raman-Spektroskopie unter simulierten Oberflächenbedingungen von Asteroiden gemessen wurden. Auch würden Untersuchungen mit der Beugung von Röntgenstrahlung an den Kristallgittern der unterschiedlichen Mineralien im Sample Analysis Laboratory (SAL) im DLR-Institut für Planetenforschung es ermöglichen, die Gesamtmineralogie der Proben festzustellen sowie das Vorhandensein und die Art von organischem Material in den Proben zu untersuchen.

Hayabusa 2 war beziehungsweise ist eine der komplexesten Missionen in der Geschichte der Erforschung der Körper des Sonnensystems. Neben der Probennahme wurden mehrere außergewöhnliche, erstmals angewandte Experimente am und auf dem Asteroiden Ryugu durchgeführt. Die JAXA setzte unter anderem mehrere Mini-Rover auf der Oberfläche aus, die mit Kameras ausgestattet waren. Ein über der Oberfläche schwebender Sprengkörper wurde zur Detonation gebracht, um einen Krater zu erzeugen und dort zu sehen, wie Ryugu unter der weltraumexponierten Oberfläche beschaffen ist. Schließlich wurde am 3. Oktober 2018 das vom DLR und der französischen CNES entwickelte Landemodul MASCOT ausgebracht, das auf Ryugu landete und mit vier Instrumenten einen Tag lang Messungen durchführte. Höhepunkt waren schließlich die beiden Probennahmen am 22. Februar und am 11. Juli 2019 mit der späteren Rückführung zur Erde. Hayabusa 2 befindet sich nach dem Abliefern der Proben an der Erde weiterhin auf einer heliozentrischen Bahn und soll im Juli 2027 den Asteroiden 2001 CC 21 und im Juli 2031 den erdnahen Asteroiden 1998 KY 26 bei Vorbeiflügen untersuchen.

Quelle: https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2022/03/20220712_dlr-wird-staub-vom-asteroiden-ryugu-untersuchen